Braut der Nacht
genug, um sie zu berühren.« Mit dem Kinn deutete er in meine Richtung. »Ich habe sie untersucht und für schuldlos befunden. Nur weil ich deinen Leuten sicheres Geleit und meine Gastfreundschaft zugesagt habe, gewähre ich dir die Gelegenheit, sie selbst zu untersuchen.«
Er hielt mir seine Hand hin. Ich wollte sie wirklich nicht nehmen. Umdrehen und aus dem Zimmer laufen klang nach einer viel besseren Idee. Nicht dass ich weit kommen würde. Meine Beine versteiften sich vor Angst, dennoch legte ich meine Finger in seine Handfläche.
Ich glaube, mein mangelnder Widerstand überraschte ihn, denn hinter seinem Grinsen schimmerte ein echtes Lächeln hervor. Wahrscheinlich wäre es unter anderen Umständen gar kein schlechtes Lächeln gewesen. Selbst unter diesen Umständen brachte das Lächeln etwas in mir zum Flattern, ein Flattern, das von dem Biss in meinem Hals ausging und durch meinen Körper rieselte.
Vampirtricks. Ich hasste Vampirtricks.
Was auch immer er in meinem Gesicht sah, veränderte seine Miene, und er wandte sich wieder der Sammlerin zu. »Ich präsentiere dir meine Gefährtin unter der Bedingung, dass ihr während deiner Untersuchung kein Schaden zugefügt wird.«
Nachdenklich musterte die Sammlerin mich von ihrem Stuhl aus, während Tatius mich um den Tisch herumführte, einen Arm fest um meine Taille gelegt. Es wirkte besitzergreifend, aber bei dem kalten, stechenden Blick der Sammlerin, der jeden meiner Schritte verfolgte, ertappte ich mich dabei, dass ich froh darüber war, die kurze Strecke nicht allein zurücklegen zu müssen.
Als wir näher kamen, verließen zwei Vampire ihren Platz an der Wand, wo sich das Gefolge der Sammlerin versammelt hatte, und bezogen wortlos ein wenig seitlich der Gruppe Stellung, wie Wachposten. Ihre Augen waren hart und ihre Blicke abschätzend und ständig in Bewegung. Wachen, darauf würde ich meinen pelzigen Schwanz verwetten. Bezahlte Schläger hatten ein gewisses Aussehen, und treu ergebene Schläger sogar noch stärker.
Wir waren etwa noch zwei Meter von der Gruppe entfernt, als ich plötzlich wie angewurzelt stehen blieb. Tatius’ Lächeln geriet nicht ins Wanken, aber er drehte sich zu mir um und zog die Augenbraue hoch, die die Sammlerin nicht sehen konnte. In seinen Augen brannte eine Warnung. Ich schluckte und holte einen weiteren tiefen Atemzug. Die Witterung in der Luft, die in meinen Rachen strömte, war vertraut und unverwechselbar. Wie viele Leichen hatte ich heute Abend denn schon gefunden? Es war nicht so, als würde ich den Geruch des Opfers so schnell wieder vergessen.
Beweg dich, forderte Tatius’ Stimme in meinem Kopf.
Ich runzelte die Stirn und sah ihn an. Konnte er meine Gedanken genauso lesen wie in meinem Kopf herumbrüllen? Ich erkenne den Geruch, dachte ich zu ihm.
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, verriet nicht, ob er mich gehört hatte. Beweg dich, oder ich mache dir Beine.
Scheiße. Ich wollte wirklich nicht wieder Marionette spielen. Nicht noch einmal. Aber der Geruch… Ich warf einen flüchtigen Blick zurück zu Nathanial. Seine ausdruckslose Miene war nicht hilfreich, aber er wedelte leicht mit den Fingern, als wolle er eine Fliege verscheuchen– oder mich dazu drängen weiterzugehen.
Also schlurfte ich so langsam vorwärts, dass ich drei Schritte machte, wo sonst einer ausgereicht hätte, und sog die Lunge ein weiteres Mal voll Luft. Meine Nase war nicht mehr so gut, seit ich ein Vampir geworden war, und die Witterung wurde bereits wieder schwächer, da meine Geruchsnerven ermüdeten.
»Gibt es ein Problem?«, fragte die Sammlerin, dabei sah sie Tatius an, nicht mich.
»Sie ist schüchtern.« Tatius ließ das letzte Wort anzüglich klingen, und seine Stimme griff über die Entfernung zwischen uns hinweg nach mir und spielte mit dem offenen Biss an meinem Hals. Ein Schauer lief mir über die Haut und explodierte als Hitze in meiner Mitte. Zitternd kam mein Atem über meine Lippen. Kein Keuchen, zumindest nicht ganz.
Ich stolperte einen Schritt zurück.
Ich hasste Vampire.
Wütend entriss ich meine Hand seinem Griff und ballte sie an meiner Seite zur Faust. »Jemand von ihren Leuten hat heute Abend von dem Opfer getrunken.« Ich presste die Worte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Sie kamen ohne Stocken über meine Lippen.
Tatius’ spöttische Miene erstarrte, und sämtliche Luft schien aus dem Raum zu entweichen.
Die Sammlerin fuhr von ihrem Stuhl hoch.
»Was?« Das Wort war ein
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