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Braut der Nacht

Braut der Nacht

Titel: Braut der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kalayna Price
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dünner Streifen Grün übrig blieb.
    Nate? Das war ein sehr untypischer Spitzname für Nathanial. Wollte Tatius damit vielleicht Vertrauen erzeugen? Nathanial an irgendeine gemeinsame Vergangenheit erinnern– oder womöglich sich selbst?
    Nathanial schwebte mit mir zur Tür, während die Doppelgänger vor uns umhersausten. Sie tauchten auf und nieder und tauschten die Plätze wie bei den Taschenspielertricks eines Hütchenspielers. Unter welchem Becher ist der Vierteldollar? Welcher Nathanial und welche Kita sind echt? Das Publikum tippte selten richtig, und Nathanial war mehr als nur ein Hütchenspieler– er war ein alter Vampir mit der Gabe der Illusion.
    Doch Tatius war uralt.
    Wir glitten auf die Tür zu, unsichtbar, nicht wahrnehmbar. Die Doppelgänger dienten rein zur Ablenkung. Sie flogen dichter auf Tatius zu und täuschten Angriffe vor, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Wir konnten nicht gegen Tatius kämpfen und ihn besiegen– so viel war bereits erwiesen. Aber vielleicht konnten wir noch fliehen.
    Unter meinen Handflächen spürte ich Nathanials Anstrengung, seine vor Anspannung steifen Schultern. Er hatte mir einmal gesagt, dass er eine bewegte Illusion nicht über mehr als ein paar Schritte Entfernung aufrechterhalten konnte. Wir waren nun mehrere Meter von den umherschießenden Kopien von uns entfernt. Eine davon täuschte einen Angriff auf Tatius’ Rücken vor. Schnell drehte sich Tatius um, und sein Dolch verschwand in der Brust des falschen Nathanial. Der echte Nathanial erschauderte. Seine Arme um mich spannten sich an. Die aufgespießte Kopie verschwand.
    Tatius wirbelte herum und pflanzte seinen Dolch in die Brust einer weiteren Illusion. Ein weiterer Doppelgänger verschwand. Nur noch vier waren übrig. Unser langsames Gleiten zur Tür wurde schneller. Tatius fuhr herum. Der Dolch flog durch die Luft, geradewegs auf uns zu. Nathanial kippte zur Seite, sodass der Dolch den Stoff seines Smokings aufschlitzte, bevor er beinahe bis zum Heft in der Tür stecken blieb.
    Hab ich euch, ertönte Tatius’ selbstgefällige Stimme in meinem Kopf.
    Ich schluckte heftig und klammerte mich fester an Nathanial. Tatius hob die Hand. In seinen Augen war nicht einmal der kleinste Rest Grün geblieben. Er ignorierte die Illusionen, die auf ihn zusausten, und heftete seinen intensiven Blick auf uns. Nathanials Fangzähne blitzten auf, seine Pupillen erweiterten sich und färbten seine Augen schwarz.
    Die Doppelgänger verschwanden, und Nathanials Flugbahn veränderte sich. Er verwandte nun all seine Energie darauf, uns unsichtbar zu machen, doch Tatius’ Augen bemerkten unsere Bewegung dennoch.
    Seine Lippen verzogen sich zu einem süffisanten Lächeln, und er schloss die Finger, als fange er einen Schmetterling aus der Luft. Nathanial erstarrte. Dann sauste der Boden auf uns zu, als wir abstürzten.
    Ich kauerte mich zusammen, um den Aufprall abzufedern, doch Nathanial schlug hart auf dem Teppich auf und sackte zusammen wie eine Stoffpuppe– oder eine Marionette mit erschlafften Fäden.
    Vor Entsetzen krampften sich meine Eingeweide zusammen, als Tatius lässig durch den Raum schlenderte, um seinen Dolch zurückzuholen. Nathanial bewegte sich immer noch nicht. Mit zitternden Händen fasste ich ihn unter den Armen und zog ihn hoch. Unter meinen Handflächen spürte ich das Pochen seines Pulsschlags, also war er noch am Leben, aber er hing in meinem Griff wie tot. Nur seine Augen, weit aufgerissen und auf mich geheftet, zeigten, dass er bei Bewusstsein war.
    Verdammt.
    Er konnte sich nicht bewegen. Er würde, wenn er könnte. Tatius hatte die Kontrolle über seinen Körper übernommen. Und wo wir schon dabei waren, Tatius hatte uns beinahe erreicht. Ich sah mich um. Ich war zwar stark und schnell, aber selbst Nathanial war Tatius nicht gewachsen gewesen, und Nathanial konnte mit mir den Boden aufwischen und dabei gleichzeitig ein Buch lesen. Lass dir etwas einfallen, verdammt!
    Doch mein panischer Verstand war wie leer gefegt. Was bedeutete, dass ich spontan improvisieren oder draufgehen würde. Womöglich beides.
    Ich legte Nathanial wieder ab, und er sank nach vorn wie eine Stoffpuppe. Tatius war nur noch weniger als einen Meter entfernt. Sein Dolch blitzte im Kerzenlicht. Ich trat zwischen ihn und Nathanial.
    »Geh aus dem Weg«, sagte er und blieb unangenehm dicht vor mir stehen.
    »Du hast deinen Standpunkt klargemacht«, stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Du hast bewiesen,

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