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Braut der Nacht

Braut der Nacht

Titel: Braut der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kalayna Price
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Vielzahl von Gerüchen an sich, doch von dem Riesen roch ich nichts. Nicht seinen Geruch, nicht seine Kleider, nicht Wind in seinen Haaren– nichts. Als wäre er gar nicht hier.
    »Das ist er auch nicht«, sagte die Sammlerin, und mir wurde bewusst, dass ich das Letzte laut ausgesprochen hatte. Sie war wieder aufgestanden, und dieser kalte, berechnende Blick ruhte auf mir. »Das hier ist meine rechte Hand. Er ist als der Reisende bekannt, wegen seiner Fähigkeit, aus der Ferne eine körperliche Erscheinung zu projizieren.« Sie wandte sich an Tatius, die Hände in die Hüften gestemmt. »Deine Gefährtin legt zweifellos ein… ungewöhnliches Talent an den Tag. Es ist eine Schande, dass sie dazu auch keinerlei Disziplin an den Tag legt. Oder ist es allen unbedeutenden Mitgliedern deiner Stadt erlaubt, unaufgefordert das Wort zu ergreifen? Kein Wunder, dass deine Zusicherung freien Geleits so leicht missachtet wurde.«
    Im Raum wurde es so still, als wäre ich wieder in das Nichts zwischen den Welten gesogen worden. Ich versteifte mich, da ich eine aufbrausende Antwort von Tatius erwartete. Schließlich hatte sie gerade nicht nur ihn beleidigt, sondern auch seine Fähigkeit, seine Stadt zu führen. Doch statt eines wütenden Brüllens lachte Tatius auf.
    »Wir alle sind doch hin und wieder ein wenig nachsichtig bei unseren Lieblingen, nicht wahr?«, sagte er laut, aber in meinem Kopf warnte er mich: Kein weiteres Drauflosgeplapper, sonst schneide ich dir die vorlaute Zunge aus deinem hübschen kleinen Mund. Jede Nacht. Ein ganzes Jahr lang. Und jetzt konzentriere dich auf die Erinnerung, wie du diesen verdammten Harlekin gefunden hast, und bringen wir die Sache hinter uns.
    Genau. Ich presste die Lippen zusammen. Ich wollte meine Zunge lieber behalten. Also nickte ich, und hielt mitten in der Bewegung sofort wieder inne, was vermutlich nur noch mehr Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenkte, dass ich gerade auf einen unausgesprochenen Befehl geantwortet hatte. Ich holte noch einmal tief Luft, die auf seltsame Weise nicht nach der Gegenwart des Reisenden roch, dann hielt ich Elizabeth mein Handgelenk hin.
    Sie legte die Finger um meinen Arm, und ihre Fangzähne blitzten auf. Der Atem stockte mir, aber nicht vor Angst. Zum Teufel mit Tiffany und ihrer Sucht nach Vampirbissen! Ich verdrängte die Reaktion gerade noch rechtzeitig, bevor Elizabeths Zähne meine Haut durchbohrten. Wärme schoss meinen Arm empor, und Glut erfüllte meinen Körper, meinen Verstand. Tatius’ Hand auf meinem anderen Arm war wie eine kühle Oase. Unwillkürlich griff ich nach seinen Fingern, hielt sie fest und drängte mich seitlich an ihn, woraufhin das Feuer in mir sich so weit beruhigte, dass ich noch etwas sehen, noch denken konnte.
    Kühl bleiben.
    An Tatius’ Schulter gelehnt konzentrierte ich mich auf die Erinnerung an die Party, daran, wie ich das freie Sofa gesehen und dort Zuflucht gesucht hatte. Wie ich das Blut gerochen hatte. Ich versuchte, nicht an den herunterfallenden Kopf zu denken, aber natürlich wurde die Erinnerung durch den Versuch, nicht daran zu denken, nur noch schärfer.
    Elizabeth zog sich zurück. Ihre Pupillen füllten beinahe ihre Augen aus, nicht einmal eine Spur von Blau war mehr zu sehen. Ein Tropfen meines Bluts hing noch an ihrer Unterlippe, und ihre kleine Zunge schnellte hervor, während sie mich verwundert anblinzelte.
    »Nun?«, drängte die Sammlerin und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf die Armlehne ihres Stuhls.
    »Alles hat sich so zugetragen, wie sie gesagt hat«, antwortete Elizabeth. »Aber sie ist…«, Elizabeth blickte zuerst zum Reisenden, dann zurück zur Sammlerin, »…eigenartig. Nicht menschlich. War noch nie menschlich.«
    Scheiße. So viel zu der Vorstellung, dass das Konzentrieren auf die Erinnerung sie aus meinen Geheimnissen heraushalten würde. Die Sammlerin sah mich wieder an. Nein, nicht wieder. Sie hatte zwar schon ein paarmal in meine Richtung gesehen, aber das hier war das erste Mal, dass sie mich tatsächlich ansah. Ihr abschätzender Blick glitt über mein dreifarbiges Haar, meine eher gelben als grünen Augen und blieb dann an der Wunde an meinem Hals hängen.
    »Was ist deine Gefährtin, Puppenspieler?« Ihre Stimme ließ es wie eine beiläufige Frage klingen, aber ihre Augen… ihre Augen verrieten sie.
    »Ein Vampir, natürlich.« Tatius legte mir den Arm um die Taille und zog mich noch enger an sich, während er das Gewicht auf ein Bein verlagerte und eine lässige

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