Braut der Schatten
NR. 1. Diese seltsame feenartige Kreatur brachte eimerweise Popcorn mit, das sie nie aß. Sie hatte La-Ola-Wellen und Sprechchöre initiiert, um Dakiano anzufeuern.
»Morgana, weißt du etwas über diese komische Frau, die jeden Abend pünktlich zu den Kämpfen erscheint? Die mit den billigen T-Shirts?« War sie vielleicht eine frühere Geliebte Dakianos?
Bettina stieß ein Schnauben aus. Wenn ja, dann war die Kuh aber verdammt alt!
»Hmm? Um die brauchst du dich nicht zu kümmern.«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet. Was hat sie mit dem Prinz der Schatten zu tun? Sag’s mir.« Die Frau sah wie eine Walküre aus. Die Walküren gehörten zu den »Guten« der Mythenwelt und waren eine wichtige Gruppe innerhalb der Vertas.
Solche wie sie sehen wir hier nicht oft.
In früheren Zeiten hatten sich die Todbringenden auf die Seite der Faktionen geschlagen, die allgemein als verachtenswert galten. Anlässlich dieser Akzession hatte Raum bereits angedeutet, sich mit der Horde und den Dämonarchien zu verbünden, die auf der Seite des Pravus kämpften.
»Deine Augen leuchten so, Sonderling. Bist du eifersüchtig auf die Frau? Immerhin bist du die Braut des Prinzen der Schatten.«
»Selbstverständlich bin ich nicht eifersüchtig.«
Kann schon sein, dass ich eifersüchtig bin.
»Er sieht dich an, als wärst du eine jungfräuliche Goldader. Es spricht doch einiges für Besessenheit.« Morgana tätschelte ihr wissend die Hand. »Es haben sich schon solide Partnerschaften auf weit weniger gegründet. Habe ich eigentlich bereits erwähnt, dass ich letztens mit ihm gesprochen habe, während er auf seinen Kampf wartete?«
»Du hast
was
?« Sämtliche Fragen über die Zuschauerin mit den rabenschwarzen Haaren waren vergessen.
»Ich sagte zu ihm: ›Du musst ein Deviant sein.‹ Er erwiderte nur: ›Muss ich?‹ und wandte sich ab. Diese blanke Verachtung … so was von sexy!«
Morgana hatte ja keine Ahnung, wie sexy dieser Vampir war.
Ich schon. Weil er während dreier kurzer Begegnungen nur mir gehörte.
»Ich beschloss auf der Stelle, dass ich seine Zunge auf mir spüren wollte. Allerdings konnte ich mich nicht entscheiden, ob sie dafür noch in seinem Mund sein sollte oder nicht. Also wartete ich ab. Jetzt bin ich froh darüber, da du dich als so besitzergreifend erweist.«
»Ich bin keineswegs besitzergreifend.« Morgana und Dakiano? Bei der Vorstellung hätte sie am liebsten losgeschrien.
»Jetzt machst du schon wieder diese Sache mit den Augen. Raum hat bei jeder sich bietenden Gelegenheit deutlich gemacht, wer sein Favorit ist. Er hat es auf einen Dämonenkönig abgesehen. Es geschähe ihm nur recht, wenn du einen Vampir heiraten würdest.« Mit einem Kichern wandte sie sich ab.
Doch an der Tür blickte sie noch einmal mit nachdenklicher Miene zurück und ließ Bettina zum Abschied einen kryptischen Rat zuteilwerden: »Denk immer daran, Sonderling: Das Beste daran, Macht zu besitzen, ist der bloße Besitz der Macht. Nutze Letzteres weise, und du wirst dich des Erstgenannten niemals bedienen müssen.«
26
Erst vor wenigen Stunden hatte Trehan in seinem Zelt sein glänzendes Schwert geschärft und mit einem Zorn gerungen, der so stark war, dass er ihn innerlich verbrannte.
Nun saß er an seinem Schreibtisch, säuberte sein blutiges Schwert, und sein Gesicht war mit Blutspritzern übersät – und nach wie vor versuchte er mit aller Macht, seine überwältigende Wut zu zügeln.
Ich werde rückfällig.
Aber implizierte der Begriff
rückfällig
nicht, dass er diese Stufe des Zorns bereits früher einmal erreicht hatte? Doch so etwas wie an diesem Tag hatte er noch nie zuvor gefühlt.
Nachdem er sich durch Bettinas Erinnerungen gearbeitet hatte, hatte er schließlich Dinge gesehen, die er nicht mehr aus seinem Gedächtnis verbannen konnte.
Ich habe Dinge getan, die ich nicht mehr ungeschehen machen kann.
Er blickte auf den Sack zu seinen Füßen und den schlichten schwarzen Stab daneben. Denk an etwas anderes, befahl er sich. In wenigen Minuten würde das Turnier fortgesetzt werden.
Ändere die Richtung deiner Grübeleien.
Aber woran sollte er denken, wenn nicht an Bettina? Woran sonst?
Ah, Dakien.
Meine frühere Heimat.
Ob das Reich aus Blut und Nebel wohl bald schon einen neuen König haben würde?
Nachdem sie Lothaire durch die ganze Welt gefolgt waren und das luxuriöse Penthaus des Vampirs in
York
ausspioniert hatten, hatten die Cousins viel über ihren potenziellen Regenten – und seine Braut
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