Braut der Schatten
verletzten Hand und translozierte sich, sodass er Viktor gegenüberstand. Auch wenn ihre Temperamente vollkommen gegensätzlich waren – der eine war kalt und methodisch, der andere kämpferisch und leichtsinnig –, sahen sie einander so ähnlich, dass sie Brüder hätten sein können.
Viktor blickte Trehan mit zusammengekniffenen grünen Augen an. »Du bist noch nachdenklicher als gewöhnlich. Ärger mit deinem Auftrag?«
Du hast ja keine Ahnung
, dachte Trehan, als er zum ersten Schlag ausholte.
Viktor wehrte ihn ab, und das Scheppern von Stahl hallte durch die geräumige Bibliothek.
»Es geht um diesen Dämon, nicht wahr?«, fragte Viktor, während er angriff. Trehan wich seinem Schwert geschickt aus. Jahrhunderte nahezu ununterbrochener Duelle zwischen ihnen hatten aus ihnen beiden herausragende Schwertkämpfer gemacht. »Caspion der Jäger, der Liebling aller Frauen?«
Aller Frauen. Selbst meiner.
Viktor täuschte links an, um Trehan gleich darauf mit einem kurzen Stoß nach rechts in Bedrängnis zu bringen. Diesem gelang es jedoch gerade noch, der Schwertspitze auszuweichen.
»Hat der große Trehan am Ende tatsächlich eine Zielperson am Leben gelassen? Aber nein, denn dann wärst du gar nicht hier.« Ein weiterer Hieb folgte.
Trehan parierte. »Ich habe ihn nicht angegriffen«, erwiderte er, halbwegs versucht, seinem Cousin alles zu erzählen. Wenn nicht Viktor, wem konnte er dann vertrauen?
Niemandem.
Ihre Beziehung war, gelinde gesagt, kompliziert. Als die letzten Mitglieder ihrer jeweiligen Häuser hatten sie den größten Teil ihres Lebens versucht, einander umzubringen, doch es gab niemanden, den Trehan lieber in seinem Rücken gewusst hätte, wenn sie gegen einen gemeinsamen Feind kämpften. Viktor bewahrte außerdem die Geheimnisse seines Cousins und weigerte sich, sich selbst und Trehan in höfische Intrigen verwickeln zu lassen. Er zog es vor, ihre Probleme im Kampf zu lösen.
Trehan schlug zu, Viktor blockte ab. Ihre Schwerter trafen aufeinander und bebten in ihren Händen.
»Du bist stark heute Nacht«, stellte Viktor anerkennend fest. Er verehrte Stärke und genoss Gewalt.
Viktor war dauerhaft enttäuscht, dass ihr verborgenes Königreich keinerlei Gelegenheit für offene Konflikte bot. Wie hatte er einmal gesagt, als er schon etwas betrunken war: »Ich bin der General der stolzesten und perfektesten Armee der Welt – einer Armee, die niemals in den Kampf ziehen wird.«
Ein Schlag – rasche Parade. Ein Hieb – gerade noch abgelenkt.
»Was höre ich denn da?«, rief Viktor auf einmal aus. »Oh, Trehan, dein Herz schlägt! Daher diese neue Kraft.«
Ein Vampir bezog seine Kraft aus dem Alter, aus dakischem Blut, aus Blut, das er direkt von einem Lebewesen trank – und aus seiner Erweckung. »Ja, das tut es.« Er wusste nicht, ob Viktor erweckt worden war. Sein Cousin benutzte den Zauber einer alten Hexe, um zu vertuschen, ob sein Herz nun schlug oder nicht.
Trehan hatte diesbezüglich allerdings seine eigene Theorie …
»Wo ist deine Braut?« Viktor riskierte einen Blick an Trehan vorbei. »Warum warst du in ein Buch vertieft, als ich mich an dich heranschlich?« Ein verwirrter Blick folgte. »Warum vögelst du sie nicht in ebendiesem Moment? Werde ich sie vielleicht mit gespreizten Beinen auf deinem Bett vorfinden, mit einem Päckchen Eis zwischen den Beinen zur Linderung?«
»Du bist widerlich.« Wieder blitzte sein Schwert auf. »Immerhin sprichst du da von meiner Braut.«
Eine weitere Parade. »Und wo ist sie dann?«
»Es sind einige
Herausforderungen
mit ihr verbunden.« Er translozierte sich vor Viktors Angriff davon und erschien einige Meter weiter weg. Die Klinge durchschnitt lediglich Luft, wo sich Trehan eben noch aufgehalten hatte.
»Erzähl mir alles, Cousin!«
»Es spielt keine Rolle. Sie wäre ohnehin nicht die Richtige für mich.« Bettina hatte ihr eigenes Reich, das sie regieren musste. Er konnte wohl kaum von ihr erwarten, zusammen mit ihm in dieser Unterwelt zu leben.
Sie ist in einen anderen verliebt.
»Hast du sie genommen?«, fragte Viktor.
Ein heftiges Kopfschütteln. »Und das ist auch gut so. Wenn ich erst einmal den Thron einnehme …«
»So sicher, dass du König sein wirst?«
Angriff.
Parade.
»Bedauerlicherweise ja. Du weißt, dass ich die logische Wahl bin.«
Er war am besten für die Regentschaft qualifiziert, aber fairerweise musste gesagt werden, dass jeder der Anwärter seine Stärken hatte. Trehan hatte einen Orden bestens
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