Braut der Schatten
Besitztümer ich einmal besaß, aber vertraut mir doch bitte trotzdem euer Mündel an‹?«
»Wie wär’s, wenn du sie nach dem Turnier, aber vor der Hochzeit beim Vollmond entführst?«
»Damit wären wir wieder beim Medaillon. Wer auch immer sie gewinnt, hat die volle Kontrolle über ihren Aufenthaltsort.«
»Wenn du an dem Turnier teilnehmen würdest, müsstest du den Nebel verlassen. Und du würdest von allen gesehen werden.«
Trehan unterdrückte ein Schaudern. »Ja, von allen.«
»Du würdest verbannt werden – und dann müsste ich dich nicht mehr umbringen«, sagte Viktor selbstgefällig. »Zumindest wäre es dann nicht mehr dringlich.«
Trehan schenkte ihm den Blick, den dieser Kommentar verdiente.
»Denk doch mal darüber nach! Du wärst in jedem Fall Herrscher über ein Königreich.«
»Also, das kommt für mich auf gar keinen Fall infrage. Über eine verregnete Sumpfebene voller Todesdämonen am Arsch der Welt regieren? Was weiß ich schon darüber, wie man Dämonen regiert? Oder auch nur über Regen?« Seine Hand wies zum steinernen Himmel Dakiens empor. »Und warum sollten sie einen namenlosen Vampir als ihren Herrscher akzeptieren? Eins ist klar: Das Turnier ist keine Option. Ich könnte meinem Reich niemals den Rücken kehren und mein Haus im Stich lassen, zumal die Dakier einen König brauchen.«
»Es gibt noch einen anderen, der über uns herrschen könnte.«
Trehan trank gierig, um möglichst schnell zum Met zu kommen. »Lothaire?«
Lothaire Dakiano, der Erzfeind, war ein dreitausend Jahre alter Vampir, den die Blutgier mit roten Augen gezeichnet und in den Wahnsinn getrieben hatte – ein erstklassiges Beispiel dafür, warum Dakier darauf verzichteten, von anderen zu trinken.
Lothaire war halb Dakier, halb Horde-Vampir. Und ganz und gar verrückt.
Besaß er einen Anspruch auf den Thron? Zweifellos. Sein Haus hatte immer regiert.
Aber ihm fehlte jeglicher Kontakt zur Wirklichkeit. Auch wenn die Cousins ihn mehr oder weniger regelmäßig im Auge behalten hatten, hatten sie sich ihm niemals offenbart.
»Du würdest tatsächlich einen rotäugigen König akzeptieren?« Horde-Vampire tranken ihre Opfer vollkommen leer und wurden süchtig nach der Macht und dem Wahnsinn, die dieser Akt mit sich brachte. Es hieß, in Lothaires Kopf spukten unzählige Erinnerungen herum.
Genauer gesagt hieß es, dass er die
cosaşad
zu seinem Vorteil nutzte und nur darum von ausgewählten Opfern trank, um hinter deren Geheimnisse zu kommen.
»Vielleicht bewundere ich ihn«, sagte Viktor. »Seine Verhandlungskünste sind meisterhaft, und er würde sein sagenhaftes Schuldenbuch quasi als Mitgift unserem Königreich zuführen.«
Lothaires Buch war legendär. Seit Jahrtausenden brachte er immer wieder Mythenweltbewohner in Situationen, in denen es um Leben und Tod ging, um ihnen dann die Rettung anzubieten – was natürlich seinen Preis hatte. Gerüchten zufolge hatten seine Schuldner geschworen, bei Fälligkeit der Schuld zu tun, was auch immer er forderte. Es hieß auch, er habe sämtliche Schulden peinlich genau in seinem Buch verzeichnet.
»Er ist vermutlich zurzeit der stärkste Vampir auf der ganzen Welt«, fuhr Viktor fort. »Wir könnten durchaus einen schlechteren König bekommen. Also, eigentlich hatte ich erwartet, dass gerade du dafür bist, damit die Feindseligkeiten in unserer Familie endlich ein Ende finden.«
»Hast
du
denn nie genug davon?«
»Du kennst mich doch, Trehan. Ich
lebe
für Feindseligkeiten.«
Und dafür hatte Viktor auch mehr als genug Gründe. Trehans Vater hatte Viktors Vater umgebracht. Selbstverständlich hatte Viktors Mutter Trehans Mutter ermordet. Dazu kamen dann noch Stelians und Mirceos Eltern, und am Ende waren schließlich alle tot gewesen.
Zwischen den dakischen Familien bestanden unzählige Blutfehden, die die heute Lebenden von ihren Ahnen geerbt hatten. Mit jeder Generation kamen jedoch auch neue hinzu. »Warum ziehst du Lothaire dann überhaupt in Betracht?«
»Vielleicht habe ich ja gar kein Verlangen danach, König zu sein«, sagte Viktor. »Vielleicht kämpfe ich nur darum, weil ich weiß, dass ich besser wäre als ihr alle. Zeig mir einen Vampir, der mächtiger ist als ich, und ich werde ihn gerne lenken, während er regiert.«
Nach dem zu urteilen, was Trehan von Lothaire gehört – und gesehen – hatte, würde es nicht leicht sein, diesen Mann zu »lenken«.
Viktor betrachtete die Einladung noch einmal; diesmal mit geradezu lustvoller
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