Braut der Schatten
gefüllt war.
»Kosminas Alter«, erwiderte Trehan nach kurzem Zögern. Mirceo und Kosmina waren so viel jünger als ihre älteren Cousins, dass sie diese »Onkel« nannten.
Viktors Mund öffnete sich. »Du beliebst zu scherzen.«
»Nicht im Geringsten.« Er nahm einen Schluck, doch das Blut kam ihm fad vor. Wieder fragte er sich, wie Bettinas Blut wohl schmecken würde.
Viktor, dem nichts entging, kniff die Augen zusammen. »Hast du sie gebissen?«
Ich stand so kurz davor.
Er erinnerte sich, wie seine Fänge sich danach gesehnt hatten, ihre Haut zu durchstoßen, ohne dass er etwas dagegen hätte tun können. Genauso unbeherrschbar wie eine Erektion.
Ob er sich wohl noch einmal beherrschen könnte, wenn er eine zweite Chance bekäme, ihr Blut zu kosten? Wie gelang es nur anderen Dakiern, sich zurückzuhalten?
Stimmt vielleicht irgendetwas nicht mit mir?
»Du hast es getan!« Viktor hob sein Glas. »Wie überaus abartig von dir, Trey! Hast du ihre Haut mit deinem Mal versehen? Hast du ihre Erinnerungen in dich aufgenommen?«
»Mach dich nicht lächerlich.« Einer der Gründe, wieso Dakier sich weigerten, von einem lebenden Wesen zu trinken, war die
cosaşad
– die Fähigkeit, Erinnerungen über das Blut zu lesen. Wenn ein
cosaş
Blut direkt aus dem Fleisch eines anderen trank, nahm er die Erinnerungen seines Opfers in sein eigenes Bewusstsein auf, selbst wenn nur ein einziger Tropfen auf seiner Zunge landete. Die kalten, rationalen Dakier hielten dies für eine Verunreinigung, einen Eingriff in ihren reinen Verstand.
Wenn ich Bettinas Erinnerungen in mich aufgenommen hätte, was hätte ich dann wohl mitangesehen?
Vermutlich Szenen, in denen sie Caspion anschmachtete. Trehan konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, seinen Kelch in der Hand zu zerquetschen.
»Denkst du gerade daran?«, fragte Viktor. »Ich kann nicht fassen, dass du deine Fänge in sie geschlagen hast – Trehan der Perfekte ist in Wahrheit pervers!«
»Ich hab sie nicht gebissen.« Er sah auf. »Du siehst enttäuscht aus. Bist du so sehr darauf versessen, meinen Niedergang mitanzusehen?«
»Aber du
wolltest
es?«
Und ich werde den Rest meines Lebens davon träumen.
»Selbst wenn, würde ich dir gegenüber etwas derart Beschämendes niemals zugeben.«
Viktor wandte den Blick ab. »Früher hättest du es getan.« Er nahm einen großen Schluck. »Aber zurück zum Thema. Was sind deine Optionen bei dem Mädchen?«
»Caspion töten. Sie vergessen und weitermachen.« Während er die Worte aussprach, brannten sie wie eine Lüge. Sie zu vergessen, war keine Option. Könnte er überhaupt weitermachen?
Was sie betraf, gab es so viele Fragen und noch so viel zu entdecken. Er fühlte sich, als ob er die erste Seite des fesselndsten Buches gelesen hätte, das ihm je untergekommen war, nur damit es ihm vor der Nase wieder zugeschlagen wurde. »Zweite Option: Caspion töten, einen Weg finden, das Medaillon des Mädchens zu stehlen, und sie entführen.« Würde sie Trehan tatsächlich für alle Zeit hassen? In einigen Jahrzehnten würde sie ihre Verstimmung doch sicherlich überwunden haben.
Viktor schüttelte entschieden den Kopf. »Morganas Magie kann man nicht umgehen, nicht einmal jemand wie du. Wir haben keinen Hexer, der dir helfen könnte, geschweige denn einen, der es mit ihr aufnehmen könnte.
Logisch
betrachtet weißt du, dass es keine Option ist, das Medaillon zu stehlen. Ein solches Vorgehen wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt.« Er stellte seinen Kelch ab. Offenbar lag ihm dieses Thema sehr am Herzen.
Das konnte daran liegen, dass Viktor in Morgana eine Feindin sah, die den Wünschen eines Landsmannes im Wege stand. Oder vielleicht witterte er die Gewalt, die in der Luft lag, und hoffte, daran teilhaben zu können. Vielleicht wollte Viktor ihm aber auch helfen, weil diese Sache Trehans Chancen auf den dakischen Thron verringern konnte.
Höchstwahrscheinlich spielten alle drei Motive eine Rolle.
Einen kurzen Augenblick lang zog Trehan in Betracht, dass Viktor vielleicht darum helfen wollte, weil sie vor langer, langer Zeit einmal Freunde gewesen waren. Doch dann verwarf er diesen Gedanken wieder. Dafür war zu viel zwischen ihnen vorgefallen.
»Ich hatte daran gedacht, mich vor Beginn des Turniers an ihre Paten zu wenden. Doch wie genau soll ich ihnen meinen Fall vortragen?«, fragte Trehan. »Soll ich sagen: ›Ich kann euch nicht verraten, wer ich bin, welcher königlichen Linie ich entstamme, woher ich komme oder welche
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