Braut der Schatten
düsteren Ecken der vergoldeten Sitzecke, dann hinauf zu den gewölbten Decken. Er warf einen raschen Blick in die beiden angrenzenden Gänge. Einer führte zu seinem Schlafzimmer, der andere in einen Flügel mit unzähligen Bücherregalen.
Als ihm nichts als Schweigen antwortete, wandte er sich wieder seiner Aufgabe zu: Recherche.
Er hatte seiner soeben gefundenen Braut versichert, dass er nicht die Absicht habe, zu ihr zurückzukehren –
und das traf zu dem Zeitpunkt auch zu.
Aber jetzt …
Die Vorstellung, sie niemals wiederzusehen, machte ihn wahnsinnig.
»Was willst du von mir?«, hatte sie ihn gefragt. Am liebsten wäre er in der Zeit zurückgereist und hätte geantwortet: »Alles! Alles, was mir vom Schicksal zugedacht wurde!«
Aber er hatte getan, was rational war – er hatte sie verlassen. Nie zuvor hatte er eine rationale Entscheidung bereut.
Sollte dies das erste Mal sein?
Er hatte versucht, sich einzureden, dass er einfach nicht genug Informationen besaß, um im Hinblick auf sie zu einem endgültigen Urteil kommen zu können. Er musste auf logische Weise über alles nachdenken, Tatsachen sammeln.
Also war er zu seinen Büchern zurückgekehrt, hatte einen Band über Vampirphysiologie gewählt, das schwere
Buch des Mythos
und eine erst kürzlich veröffentlichte Geschichte der verschiedenen Dämonarchien. Die Bücher hatte er auf die eine Seite seines großen Schreibtisches gelegt, die Einladung zu dem Turnier auf die andere.
Im Handbuch zur Physiologie hatte Trehan eine Bestätigung für die harschen Fakten seiner Situation gefunden. Ein Vampir, der seine Braut nicht vollständig zu der Seinen machte, neigte ab diesem Zeitpunkt zu aggressivem Verhalten, irrationaler Eifersucht und unkontrollierbarem sexuellem Verlangen.
Vielleicht hätte Trehan ihr Angebot akzeptieren und sie einfach nehmen sollen. Aggressionen? Stimmt. Irrationale Eifersucht? Als er daran dachte, mit welcher Hingabe sie auf Caspion reagiert hatte, ergriff Trehan eine derartig mörderische Wut, dass er sich auf die Füße translozierte. Stimmt.
Unkontrollierbares sexuelles Verlangen? Als er nach Hause gekommen war, um sich umzuziehen und zu waschen, war er allein bei dem Anblick der Samenspuren in seiner Hose so hart geworden, dass es schmerzte. Immerhin hatte er so etwas seit beinahe einem Jahrtausend weder gesehen noch gerochen.
Außerdem hieß es im Buch, dass ein Vampir die Haut seiner Gefährtin mit den Fängen durchstoßen müsse, so wie es die Dämonen und die Lykae taten.
Wir verurteilen dies als barbarisch.
Doch dieses Buch handelte von Vampiren im Allgemeinen. Dakier waren anders und Faktionen wie der Horde oder den Devianten überlegen, versicherte er sich selbst, während er daran denken musste, wie sehr er sich danach gesehnt hatte, sie zu beißen.
Herrschaft …
Doch dann schüttelte er sich innerlich und kehrte zu seinem Buch über die Geschichte der Dämonen zurück, und zwar zu dem Eintrag über die Abaddonae.
Die Todbringenden, wie sie so zutreffend genannt wurden, bezogen Kraft aus jedem Wesen, das sie töteten, und das hieß, dass sie im Laufe der Geschichte öfter im Kriegszustand als im Frieden gelebt hatten. Ihre Ebene war ein isoliertes Sumpfreich ohne jegliche Bedeutung, mit einer typischen übernatürlichen Zeitvarianz.
Die Zeit, wie auch das Leben, verlief in Abaddon langsamer …
Prinzessin Bettina war die erste Tochter, die seit Generationen geboren worden war, und ihr Erscheinungsbild wurde als »elfengleich« bezeichnet. Obwohl sie ein Halbling war, hatte sie, was das Äußere betraf, keine dämonischen Züge geerbt, doch es hieß, sie besitze eine bemerkenswerte – allerdings ungenannte – Sorceri-Fähigkeit.
Faszinierend. Eine zarte kleine Sorcera, die in die archaische, brutale Dämonenwelt hineingeboren worden war.
Ihre Ahnen väterlicherseits hatten in verschiedenen Schlachten, oftmals gegen andere Dämonarchien, wacker gekämpft – oftmals bis zum Tod. Erst vor einem Jahrzehnt war ihr Vater Mathar einem seiner Pravus-Verbündeten zu Hilfe geeilt und dabei in vorderster Linie ums Leben gekommen.
Offenbar war seine Sorcera-Königin Eleara kurz nach Bettinas Geburt von Vrekenern ermordet worden. Diese geflügelten Kreaturen waren Todfeinde der Septe der Sorceri und widmeten ihr Leben dem Kampf gegen dieses Übel.
Über Elearas Seite konnte Trehan keine weiteren Informationen finden, darum las er im
Buch des Mythos
über die Sorceri im Allgemeinen. Sie waren entfernt mit den Hexen
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