Braut wider Willen
Schritten auf dem Deck über ihr. Sie glaubte, erhöhte Dringlichkeit herauszuhören, als neigten sich die Vorbereitungen dem Ende zu. Wenn ja, würde Cato bald an Bord gehen. Sie musste rasch ein Versteck finden.
Phoebe wagte sich hinaus auf den Gang. Eine schmale Tür in der Wand gegenüber zog ihren Blick an. Sie öffnete diese und spähte in ein winziges Kämmerchen, in dem etliche dicke Taurollen, ein Eimer und Putzzeug verstaut waren. Fisch- und Teergerüche mischten sich mit übleren Düften, doch sie musste sich mit der Kammer begnügen.
Sie schlüpfte hinein und zog die Tür hinter sich zu. Sofort hatte sie das beklemmende Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Der strenge Geruch stieg ihr so eklig in die Nase, dass sie ein Würgen verspürte. Sie öffnete die Tür einen Spaltbreit, setzte sich auf die Taurollen und zog die Beine an, wobei sie die Tür nur so weit offen ließ, um für einen beruhigenden Atemzug genügend frische Luft einzulassen.
Phoebe verlor das Zeitbewusstsein. Über ihr waren weiterhin die Geräusche der Vorbereitungen für das Auslaufen zu hören. Auf Catos Stimme horchte sie vergebens. Einmal erlebte sie einen Augenblick der Panik, als sie sich vorstellte, er würde sich womöglich in letzter Minute entschließen, nicht an Bord zu gehen, und das Schiff würde mit ihr allein nach Holland segeln. Aber niemand kam herunter, um aus der Kabine gegenüber Catos Gepäck zu holen.
Lautes Rattern direkt unter ihr erschreckte sie so sehr, dass sie aufsprang und sich den Kopf an der niedrigen Decke des Einbauschrankes anstieß. Es war ein ächzendes, rhythmisch schlagendes, lautes Geräusch, das ihren Sitz erzittern ließ. Die polternden Schritte wurden schneller, Stimmen erhoben sich zu Kommandorufen. Phoebe hatte das Gefühl, das Schiff machte einschläfernd wirkende, wiegende Bewegungen.
Oben stand Cato mit dem Captain auf dem Achterdeck und sah zu, wie die Beiboote die
White Lady
mit weit ausholenden Ruderschlägen zur Hafeneinfahrt schleppten. Um sie herum folgten andere Schiffe ihrem Beispiel und nutzten die Flut zum Auslaufen.
»Captain, was für eine Überfahrt steht uns bevor?«, fragte Cato mit milder Neugierde, obwohl sein Seelenfrieden, ganz zu schweigen der Zustand seines Magen, von der Antwort abhing.
»Ach, eine ruhige, Sir«, erwiderte der Captain mit einem Blick zum tiefblauen Himmel, der mit Sternen übersät war. »Für die Nordseepassage sieht es morgen nach frischem Wind aus, im Moment aber ist alles ruhig.«
Cato drehte sich mit einer gemurmelten Antwort um und blickte zur Takelage empor, in der sich Seeleute zielstrebig bewegten, bereit für das Passieren der Hafeneinfahrt. Dann würden die Ruderer an Bord gehen, man würde ihre Boote einholen, und die
White Lady
würde Kurs auf die offene See nehmen. Die Aussicht ließ ihn das Gesicht verziehen.
»Einen Grog, Lord Granville?«, fragte der Captain, als ein Seemann die Gangway zum Achterdeck mit zwei dampfenden Deckelkannen herauflief. Für diese Überfahrt hatte Captain Allan keine anderen Passagiere. Seine Fracht bestand aus Zinn aus den Minen Cornwalls für den flämischen Markt. Lukrativ, aber nicht so wie feines Delfter Porzellan, Brüsseler Spitzen und Wolle aus Flandern, die er auf der Rückfahrt für die anspruchsvollen englischen Märkte mitzuführen hoffte.
Cato nahm den Humpen mit einem Nicken des Dankes entgegen. Der Grog duftete würzig, und der Dampf kräuselte sich in der nunmehr kühlen Luft. Er zog seinen Umhang enger um die Schultern, entschlossen, den größten Teil der Nacht an Deck zu verbringen. Frische Luft war das beste Gegenmittel gegen Seekrankheit.
Sie hatten die Hafeneinfahrt erreicht, die Ruderer schwärmten über die Strickleitern an Bord der
White Lady
,
während die Boote hochgehievt und an Bord gesichert wurden. Cato, der seinen Grog schlürfte, beobachtete, wie die Segel gesetzt wurden. Inzwischen würde Phoebe unter dem Federbett im großen Vierpfoster im Ship längst friedlich schlummern.
Cato seufzte. Er hatte sie höchst ungern verlassen, und ihre Abwesenheit warf einen Schatten auf seine klare Einschätzung der vor ihm liegenden Mission.
Deinem Herzen fern zu sein, ist Folterqual…
Heilige Mutter Gottes, wieso schaffte er es nicht, diese verdammte Szene zu verdrängen? Die Verse fielen ihm immer wieder ungewollt ein. Wenigstens hielt er sie für ungewollt. Aber angenommen, in seinem Bewusstsein gab es etwas, das sich seiner Kontrolle entzog …
Der Captain sagte etwas,
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