Braut wider Willen
aufschlug, sah sie, dass wolkenbruchartiger Regen an die Fenster prasselte. Regentropfen fielen durch den Kamin herein und ließen die Glut zischen.
»Was für ein grässlicher Tag!«, erklärte Olivia angewidert. »Grässliches Wetter für einen grässlichen Tag. Das Fest für die Pächter wird man in die Sch-scheune verlegen müssen.«
»Dort ist es jedenfalls wärmer als im Hof«, sagte Phoebe. Das Wetter hätte gar nicht passender sein können, wie Olivia ganz richtig gesagt hatte. Sie selbst hätte es nicht besser formulieren können. »Auf dem Weg zur Kirche werde ich völlig durchnässt werden«, setzte sie mit einer gewissen grimmigen Genugtuung hinzu. »Mein Kleid … vielmehr Dianas Kleid wird ruiniert.«
Es war eine kleine Hochzeit vorgesehen, das genaue Gegenteil des großen Festes, mit dem Catos Vermählung mit Diana an dem Tag gefeiert worden war, als das Parlament den Earl of Strafford, den Günstling des Königs, auf dem Tower Hill hatte hinrichten lassen und der Bürgerkrieg nicht länger zu verhindern war. Damals waren die gegensätzlichen politischen Meinungen erst ansatzweise vorhanden gewesen, sodass die Harmonie der Feier durch nichts gestört worden war. Inzwischen aber würden viele, die mit dem Marquis of Granville seinerzeit gefeiert hatten, es vorziehen, ihm auf dem Schlachtfeld zu begegnen, als mit ihm an einem Tisch zu sitzen. Und viele andere waren in den großen Entscheidungsschlachten gefallen, die ausgefochten worden waren, ehe der Konflikt in den momentanen, von Belagerungen und Zermürbungstaktik gekennzeichneten Zustand mündete.
Es war eine kleine, bescheidene Hochzeit geplant. Phoebes Vater Lord Carlton hasste Geldverschwendung, zudem war Phoebe kein lupenreines Juwel wie ihre Schwester. Zwar ermöglichte sie es ihrem Vater, ein ihm genehmes Bündnis beizubehalten, doch hielt er übertriebenen Aufwand mitten im Krieg für unangebracht.
In Anbetracht der unruhigen Zeiten erschien es Lord Granville und seinem Schwiegervater vernünftig, Phoebes Hochzeit dort zu feiern, wo sie die letzten zwei Jahre verlebt hatte. Der Marquis hatte daher dem Brautvater zuvorkommend unter seinem eigenen Dach das Hausrecht eingeräumt und ihm gestattet, sämtliche Vorbereitungen zu treffen.
»Mein Vater wird nicht zulassen, dass du nass wirst«, erklärte Olivia.
»Er kann den Regen nicht vertreiben«, wandte Phoebe mit derselben finsteren Genugtuung ein.
Olivias Zuversicht sollte sich bewahrheiten. Cato, der bei Tagesanbruch einen Blick zum bleigrauen Himmel warf und den durchweichten Boden sah, entschied sofort, dass niemand wie ursprünglich geplant zu Fuß zur Kirche gehen sollte. Binnen einer Stunde belegten Scharen seiner Milizsoldaten die Wegstrecke zwischen Haus und Dorfkirche mit Stroh, damit die Wagenräder nicht im Schlamm versanken.
Man würde die Gäste gruppenweise in Wagen zur Kirche bringen. Die Braut und ihr Vater sollten mit Olivia zuletzt eintreffen. Und schließlich wurde ein improvisiertes Zeltdach über den Weg von der Kirchhofpforte zur Kirchentür gespannt.
Cato inspizierte alles selbst ohne Rücksicht auf den Regen, der seinen Mantel durchnässte und ihm in den Kragen lief. Zum Frühstück war er wieder im Haus und schüttelte wie ein Hund das Wasser ab.
Phoebe und Olivia nahmen ihr Frühstück in einem quadratischen, als Salon der jungen Damen bekannten Raum im rückwärtigen Teil des Hauses ein. Olivia aß wie üblich geistesabwesend, während sie in einem Buch las. Phoebe, die an diesem Tag keinen Appetit hatte, zerbröckelte Brot auf ihrem Teller, trank dünnes Bier und lief zwischen Fenster und Tisch hin und her, als hoffte sie, es würde beim nächsten Blick aus dem Fenster nicht mehr regnen.
Cato klopfte einmal an und trat sofort ein. Olivia sprang auf, Phoebe, die schon auf den Beinen war, starrte ihn fassungslos und gekränkt an.
Sie trug einen alten, für sie viel zu kleinen Morgenmantel, der über der Brust sehr unvorteilhaft spannte und nur halb wadenlang war. Sie wusste, dass ihre nackten Waden und Knöchel dick und unförmig wirkten. Das Schlimmste aber waren die fehlenden Knöpfe, der abgewetzte Pelzbesatz und die undefinierbaren Flecken auf der Vorderseite.
Cato hatte sie schon zuvor in unordentlicher Aufmachung gesehen, aber irgendwie kam es ihr an ihrem Hochzeitsmorgen schlimmer als sonst vor.
»Mylord, es soll Unglück bringen, wenn ein Mann seine Braut vor der Hochzeit sieht«, stieß sie hastig hervor. »Bitte, geht jetzt.«
»Phoebe, das
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