Braut wider Willen
sich zur Seite und drückte den Stoff an sich. »Wie dick ich bin«, jammerte sie.
»Aber, aber, Lady Phoebe, was für eine Torheit.« Die Näherin eilte herbei. »Ihr habt ein hübsches Figürchen. Rundungen an den richtigen Stellen. Männer haben gern etwas zum Anfassen.«
»Ach?«, sagte Phoebe hoffnungsvoll. Ob Cato auch zu diesen Männern gehörte? Er, der mit Diana verheiratet gewesen war? Sehr unwahrscheinlich.
Sie umfasste ihre vollen Brüste knapp oberhalb der Schärpe. Der Ausschnitt war tiefer als bei den meisten ihrer Kleider, doch war der Spitzenkragen so breit, dass er die obere Busenwölbung verhüllte. Ihre Schultern erschienen ihr zu rund, und ihre Brüste, die sich gegen dem Damast drückten, wirkten ausgesprochen unförmig.
»Ihr sollt Euch nicht über das beklagen, was Ihr vom lieben Gott mitbekommen habt«, mahnte die Näherin streng. »So, jetzt noch den Saum festgesteckt, dann könnt Ihr es wieder ausziehen.«
»Olivia, glaubst du nicht, dass ich in einem meiner alten Kleider besser aussehen würde?«, drängte Phoebe.
Olivia blickte stirnrunzelnd von ihrem Buch auf. »Sie sind alle ziemlich abgetragen und passen dir auch nicht«, widersprach sie mit niederschmetternder Offenheit. »Dieses hat wenigstens eine hübsche Farbe.«
»Aber es steht mir nicht. Diana stand es. Aber nicht mir.«
Olivia war nach kurzer Überlegung geneigt, ihr beizupflichten. »Du bist eben ganz anders als Diana! Völlig anders! Dem Himmel sei Dank.« Sie musterte Phoebe kritisch. »Ich glaube, du solltest dunklere Farben tragen. Einen Ton, der Augen und Haarfarbe betont.«
Phoebe machte ein erstauntes Gesicht. Im Allgemeinen zeigte Olivia sehr wenig Interesse an Kleidern. »Na, viele Möglichkeiten sehe ich da nicht«, sagte sie seufzend. »Ellen, beeil dich und hilf mir beim Ausziehen.«
Unter sanften Ermahnungen zog die Näherin Phoebe das Kleid über den Kopf und eilte damit davon, während Phoebe im Hemd dastand.
»Wenn du meinem Vater sagst, dass du das Kleid scheußlich findest, wird er deinen Vater vielleicht bitten, dir ein neues machen zu lassen«, schlug Olivia vor.
»Hätte ich. Geld«, sagte Phoebe, »könnte ich mir selbst Kleider kaufen.« Sie setzte sich auf einen Dreifuß und streckte ihre in Wollstrümpfen steckenden Beine dem Kaminschirm entgegen. Geistesabwesend bewegte sie ihre große Zehe, die aus einem Loch ragte. »Das Teuflische ist, dass ich Geld aus der Mitgift meiner Mutter besitze. Aber glaubst du, dass man es mir geben würde?« Sie schüttelte energisch den Kopf.
»Ich nehme an, es ist Teil deiner Mitgift«, sagte Olivia mitfühlend.
»Damit mein Ehemann es verwaltet, da eine Frau … die nur Ehefrau ist… von so komplizierten Dingen nichts versteht?« Phoebe schnaubte verächtlich.
»Vielleicht solltest du meinem Vater einen Eindruck von deiner Dichtkunst vermitteln«, schlug Olivia vor. »Das würde ihm zeigen, wie k-klug du bist.«
»Männer interessieren sich nicht für Dichtung«, sagte Phoebe finster.
»Aber die meisten Dichter sind Männer«, hob Olivia hervor.
»Krieger interessieren sich nicht für Dichtung.«
»Aber du wirst doch nicht aufhören zu dichten, nur w-weil du verheiratet bist.«
»Nein, natürlich nicht. Es ist mein Leben«, erwiderte Phoebe. »Ich habe nicht die Absicht, mit allem Schluss zu machen. Ich werde weiterhin im Dorf aushelfen und mich von Meg in die Kräuterkunde einführen lassen, und ich werde weiterhin dichten.«
»Dann wirst du dich kaum verheiratet fühlen«, sagte Olivia. »Es wird fast so sein, als wärest du unverheiratet.«
Phoebe warf ihr einen Blick zu. Wie konnte sie ihr sagen, dass dies das Allerletzte war, was sie wollte? Es war unmöglich, jemandem dieses dumme Dilemma erklären zu wollen. Einerseits wünschte sie sich sehnlichst, sich mit Cato verheiratet zu fühlen, ja, es zu sein, wünschte sich alles das, was ihre wollüstige Fantasie ihr vorgaukelte. Da sie aber keine Möglichkeit sah, dass ihre verzweifelten Wünsche Erfüllung fänden, war ihr die Aussicht unerträglich, dies alles über sich ergehen lassen zu müssen.
»Nun, vielleicht nicht ganz unverheiratet«, sagte Olivia mit geradezu unheimlicher Intuition.
»Nein. Nicht ganz.«
An ihrem Hochzeitsmorgen erwachte Phoebe so zerschlagen, als hätte sie kein Auge zugetan. Ihr Kopf war voller Träume gewesen … Träume, die an Albträume grenzten. Verwirrte Bilder der Erregung und Hoffnung, aber auch der Gewissheit von Enttäuschung. Und als sie die Augen
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