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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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Sie protestierte heftig, lass uns das noch etwas überdenken, was würden wir alles damit kaputt machen? Bob weiß von nichts, er hat doch keine Probleme. Aber ich, sagte Hans, nachdem man ihn zum zweiten Mal die Gefäße hatte erweitern müssen. Seine Zweifel jagten Marjorie einen furchtbaren Schrecken ein. Sie lag nächtelang wach, in denen sie sich die Erschütterung und die Krise ihres Sohnes nach so einer Meldung vorstellte – wie er sich von ihnen abwenden würde, von den Betrügern, die sich über ein halbes Jahrhundert lang als seine Eltern ausgegeben hatten. Ich kann das noch nicht, sagte sie heulend zu Hans, ich muss mich erst an den Gedanken gewöhnen. Wie lange noch, wollte er nach seiner Bypassoperation wissen. Feige versteckte sie sich hinter jemandem, mit dem sie seit ihrer Rückkehr vor fast einem halben Jahrhundert keinen Kontakt gehabt hatten. Wir können das nicht ohne Esther entscheiden, brachte sie an, und ein heiliges Feuer knisterte in ihrer Stimme, wir haben einen Eid abgelegt, erinnerst du dich? Daraufhin besorgte er Prospekte bei einem Spezialisten für Neuseelandreisen. Sie tat so, als würde sie ebenfalls begeistert in die Planung einsteigen, erklärte dann aber alle Angebote für untauglich: Die eine Reise war zu lang, die andere nicht komfortabel genug. Schließlich waren sie alt, und man müsste ohnehin erst herausfinden, ob Hans mit seinem schwachen Herzen überhaupt fliegen durfte. Dann gab sein Herz auf und ließ sie mit den Prospekten und dem Problem zurück. Seine Zweifel hatten sich in ihr festgesetzt. Marjorie fragte sich, ob es sie erleichtern würde, von den Lügen befreit zu sein und zu wissen, ob ihr Sohn sie dann noch immer liebte. Doch wenn sie Bob auf Familienfesten so entspannt und mit solch einer Selbstverständlichkeit zwischen den Seinen sah, dann brach es ihr schon im Vorfeld das Herz. Die Nachricht von Franks Tod schien ein Zeichen zu sein. Es war an der Zeit, mit Esther zu reden.
    Zunächst einmal möchte Esther mit ihr reden. Marjorie spürt, wie ihr das Blut in die Wangen schießt. Am liebsten würde sie ihre schwarze Jacke ausziehen, es ist schrecklich warm in diesem Land, doch das ganze Theater mit dem Gipsarm hält sie davon ab. »Nun stehe ich da mit meinem Talent«, schlussfolgert Esther, »und einer ganzen neuen jüdischen Nachkommenschaft.« Als wenn das ihre Schuld wäre, Marjorie schnaubt auf. »Kann ich etwas dafür?«, schnauzt sie, »ich habe mir Vera nicht ausgesucht, falls du das gedacht hast. Ich kann wohl schlecht sagen, dass er keine Jüdin heiraten darf. Sie haben zusammen in Delft studiert, damals hatte sie schon ein Auge auf ihn geworfen. Und er ist so eine gutmütige Seele, er hat sich von ihr einlullen lassen.« Die Wahrheit ist, dass ihre Schwiegertochter Bob nach fünfundzwanzig Ehejahren noch immer um den Finger wickeln kann und dass sie als Architektin mindestens so gefragt ist wie er. Bob stört das nicht, er hegt keinerlei Selbstzweifel und gönnt seiner Frau alles. Aber Marjorie stört sich daran. Frauen haben heutzutage Rückenwind, erklärt sie ihren Freundinnen immer wieder, dagegen kommt kein Mann an.
    Neben ihr zieht Esther eine Zigarette aus der Tasche und steckt sie an. Bloß nicht fragen, ob mich das stören könnte, denkt Marjorie. Sie hustet ein paar Mal. Esther schiebt die Sonnenbrille etwas höher. »Ich hätte mein Kind ebenso gut behalten können«, bemerkt sie unbewegt. In einem Bild aus der Vergangenheit sieht Marjorie sie weinend auf dem Kinderbett sitzen, die Arme um Bobby geschlungen. Hans tippt ihr auf den Rücken, jetzt, tu es jetzt.
    Sie trottet weiter, mit brennenden Augen. Weit vor ihnen läuft Bob, der sich angeregt mit seiner Tochter unterhält und mit dem Jungen von hier, der Kris heißt. Dass über seinem Kopf ein Fallbeil hängt, dessen Seile sie in der Hand hält, ist ihm nicht bewusst. Marjorie fühlt sich grauenhaft. Das Einzige, worauf sie hoffen kann, ist, dass er sie als Mutter geschätzt hat. Doch selbst da ist sie sich nicht so sicher.
    »Esther«, beginnt sie mit dem Mut der Verzweiflung, »haben wir es richtig gemacht?«
    Die Frau im Hosenanzug mit den grauen Nadelstreifen neben ihr zuckt die Schultern und raucht schweigend weiter.
    »Ich meine, wir hätten ihm die Wahrheit sagen können.«
    »Wenn es dich erleichtern würde«, sagt die raue Stimme.
    »Es geht nicht um mich. Es geht um Bob.«
    »Ach so.«
    »Meinst du, es wäre besser für ihn, wenn wir es ihm erzählen?«
    Ein langer Arm weist

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