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Brautflug

Brautflug

Titel: Brautflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marieke Pol
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umherstreift – zusammen mit dem Jungen, der Kris heißt und der nun endlich vorsichtig ihre Hand ergreift. Im Mund hat Kris einen Lakritz, den er von ihr bekommen hat und scheußlich findet, doch für sie würde er eine ganze Tüte aufessen. Kommst du wieder?, fragt er lässig. Hannah versichert ihm, dass sie zurückkommen wird. Erst zehn Tage mit ihrem Vater und mit Oma herumreisen, und wenn die beiden dann zurück nach Holland fliegen, kommt sie zurück. Ich habe vier Monate Zeit, sagt sie, aber ich muss Geld verdienen. Du kannst mir bei der Ernte helfen, versichert ihr Kris erfreut, und er streichelt ihre langen, schmalen Finger. Sweet.
    Auf dem Parkplatz warten Marjorie und Esther. Sie lehnen müde, aber zufrieden am Auto unter dem Willkommensschild. Hinter ihnen liegen die Felder mit den Weinreben, über die weiße Netze gezogen sind. Es war ein besonderer Tag, darin sind sie sich einig. »Was ich dich fragen wollte«, sagt Marjorie, »ich fände es schön, wenn du etwas auf Hannah aufpasst. Sie ist noch ein Kind, auch wenn sie das selbst anders sieht. Lad sie doch mal ein, ruf sie an. Behalt sie etwas im Auge. Nicht zu viel natürlich, nicht, dass sie es merkt, du weißt schon. Würdest du das für mich tun?«
    »Mit dem größten Vergnügen«, antwortet Esther. Sie kann ihr Erstaunen nur mit Mühe verbergen.
     
    Jeder, der Marjorie ein bisschen kennt, wird zugeben müssen, dass sie hiermit über sich selbst hinausgewachsen ist. Und wenn Marjorie das kann, dann ist das geradezu der Beweis dafür, dass jeder über sich selbst hinauswachsen kann, wenn er nur will.
     
    Ada eilt zum Parkplatz, auf dem Esther und Marjorie am Mietwagen lehnen, und verkündet ihre Entscheidung, ihre Stimme ist vor Aufregung noch höher als sonst. Sie fährt nicht zurück nach Greymouth. Nachdem sie Pete besucht hat, wird sie bei Dan und Bridget in Auckland wohnen und von dort aus zusehen, dass sie so schnell wie möglich nach Ons Dorp ziehen kann. »Und Derk?«, fragt Esther.
    Ada denkt einen Moment lang nach, sie wählt ihre Worte sorgfältig.
    »Derk ist herzlich willkommen«, erklärt sie, »er muss es selbst entscheiden. Aber ich werde es tun, auf jeden Fall.« Marjorie, die Hans noch immer jeden Tag aufs Neue vermisst, hebt eine Augenbraue. Doch Esther streicht Ada lächelnd über die Wange, als wäre sie ein kleines Mädchen, das man ermutigen muss. »Die Zeit ist milde zu dir gewesen«, sagt sie, »du bist noch immer eine schöne Frau.« Ada steckt das Kompliment ein, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan. »Danke.« »Du bist die Einzige von uns, die noch eine Taille hat. Die könntest du übrigens etwas mehr betonen. Warte mal …«, Esther zieht eine Visitenkarte aus der Tasche und überreicht sie ihr, »… wenn du in Auckland bist, komm einfach vorbei, dann mach ich eine entzückende
Robe Manteau
für dich.« »Das werde ich tun«, erwidert Ada überrascht. Ein neues Kleid, das ist genau das, was sie jetzt braucht.
     
    Die drei lehnen nebeneinander am Auto, das sich vom Tag in der Sonne aufgeheizt hat. Der Wind streicht zum Abschied über ihre Gesichter. Ada fühlt die glatte Form des Kiesels in ihrer hohlen Hand. Gleich kommen Bob und Hannah, und dann werden sie von hier fortfahren und Frank zurücklassen. Doch im Augenblick sind sie noch da. Drei alte, schwarze Bräute.
    Hinter ihnen ertönt ein Schuss. Auf dem Pfad zwischen den Sträuchern steht ein automatisches Luftdruckgewehr auf einem Stativ. So sieht das heutzutage also aus,
Bird Shooting
. Esther öffnet ein neues Päckchen Zigaretten und steckt sich eine an. Ohne dass sie zur Seite sehen muss, fühlt sie neben sich die Verärgerung wie eine Hitzewoge durch das altbackene Kostüm dampfen. Sie bläst den Rauch aus und sagt zufrieden: »Ich habe ein Blutgerinnsel im Herzen, ich kann jeden Moment tot umfallen.«
    Ada gibt ein nervöses Welpenfiepen von sich, wie sie es ihr ganzes Leben lang getan hat. Sie möchte genau wissen, was es mit Esthers Krankheit auf sich hat.
    Marjorie seufzt. Immer diese Aufmerksamkeitsheischerei. Sie hält noch zwei, drei Wolken Zigarettenrauch aus, die, bevor sie sich in der Luft auflösen, kurz ihre Nase angreifen und in ihren Atemwegen kribbeln. Dann reicht es ihr. »Würdest du vielleicht so nett sein, in die andere Richtung zu blasen?«
     
    Die Sonne ist hinter die Hügel gesunken. Der Abend breitet sich über die Felder aus. Langsam fährt der Wagen über den langen, unbefestigten Weg, der zwischen den endlosen

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