Brautflug
Tages, so geht es nicht weiter, wir ziehen hinunter, ins Dorf, in ein normales Haus mit Licht und Zentralheizung und einem Badezimmer mit warmem Wasser. Es ist ein Mietshaus mit Garten, ich habe es bereits gefunden, du musst nur noch unterschreiben. Wenn du willst, dass ich bleibe, dann muss etwas passieren.
Ihm fiel die Kinnlade herunter. Sprachlos unterzeichnete er den Mietvertrag. So geht das also, dachte sie im Stillen, und nahm sich vor, öfter mutig zu sein.
Der Schmerz war nun immer da, ein Schmerz, der sie an die Hand nahm und stärker machte. Frank war immer da. Sie lebte Seite an Seite mit ihm. Er war in ihr. Oder vielleicht wurde sie auch er. Wie es genau war, wusste sie nicht.
Neben ihrem neuen Haus wohnte eine fröhliche, gastfreundliche Familie. Derk vermied den Kontakt, da sie ihm nicht gläubig genug waren, doch die Kinder gingen bei ihnen ein und aus, und Ada fragte die Frau, Mona, ob sie ihr Englischstunden geben wollte. Sie wurden Freundinnen. Zusammen mit Mona ging sie in die öffentliche Bibliothek und ließ sich dort Bücher empfehlen. Sie las und las, denn sie wollte sich weiterentwickeln, und sie nahm auch Bücher für die Kinder mit und las sie ihnen vor. Wenn Derk sich über den weltlichen Charakter eines solchen Buches ausließ, schloss sie einfach die Kinderzimmertür. Von dem Geld, das sie als Postbotin verdiente, kaufte sie einen Plattenspieler. Es ist wichtig, erklärte sie Derk, dass die Kinder mit Musik aufwachsen. Er schimpfte, denn er schimpfte immer, doch sein Schimpfen berührte sie stets weniger, und der Plattenspieler bereitete ihr große Freude. Der Mann vom Plattenladen nahm sich immer viel Zeit für sie und beriet sie mit Begeisterung. Ada tanzte mit den Kindern zu den Blumenwalzern von Chopin durchs Zimmer, und sie sangen Rigoletto mit. Wenn Derk nicht zu Hause war, hörten sie die Beatles. Coleman Hawkins und Dexter Gordon gefielen außer ihr niemandem.
Wirklich glücklich wurde sie nicht. Um des lieben Friedens willens log sie Derk oft an. Es waren kleine, unschuldige Lügen, doch sie gaben ihr ein einsames Gefühl. Auch im Bett fühlte Ada sich einsam. Immer wieder versuchte sie, den Sex mit Derk schön zu finden – eine Frau musste stets willig sein –, doch die Abneigung blieb. Oft genug kniff sie die Augen zu und versuchte sich vorzustellen, dass sie mit Frank zusammen im Bett lag. Nach diesen Malen war Derk noch Tage später freundlich zu ihr und wirkte beinahe heiter, doch sie machte es traurig. In den seltenen Momenten, in denen sie allein zu Hause war, zog sie die Gardinen zu und sprang voller Lust mit Frank zusammen in den Heuberg. Das Schuldgefühl danach wurde mit der Zeit weniger.
Um sie herum veränderte sich die Welt. In den Zeitungen sprach man über die sexuelle Revolution. Heimlich sorgte Ada dafür, dass Julie die Pille nehmen konnte. Und sie wagte es, ihrer Freundin zu gestehen, was passiert war. Beunruhigt wartete sie auf ihr vernichtendes Urteil. Doch Mona hatte Tränen in den Augen und umarmte sie. Was für eine wunderschöne Geschichte, sagte sie, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Kein Wort über Sünde. Eine schöne Geschichte.
Ada merkte, dass ihre Gedanken beim Beten abschweiften. Gespräche mit Gott fielen ihr nicht leicht. Stattdessen führte sie Gespräche mit jemand anderem, vielleicht war das die Schwierigkeit. Die Antworten, die Frank ihr gab, auch wenn es immer dieselben waren, gefielen ihr besser als Gottes Schweigen. Allmählich begann sie, sich selbst Fragen zu stellen (oder vielleicht stellte auch der Frank in ihr diese Fragen?) über Dinge, an denen sie vorher nie gezweifelt hatte. Ada gab sich mit dem drohenden Gott nicht mehr zufrieden, sie hatte keine Lust mehr, ängstlich am Boden zu kriechen, und wandte sich an Jesus, der so viel menschlicher war. Sie fing an, sich weniger schuldig zu fühlen. Das beunruhigte Derk. Und auch, dass sie den Kindern immer mehr Freiheiten zugestand. Als Danny, der Jüngste, zwölf wurde, verkündete sie: Von jetzt an dürft ihr selbst entscheiden, ob ihr in die Kirche gehen wollt oder nicht. Derk wurde furchtbar wütend, doch sie nahm ihre Aussage nicht zurück. Pete, ein unsicherer Jugendlicher, der sich sehr um die Anerkennung seines Vaters bemühte, ging weiter in die Kirche, doch Julie und Danny gingen von einem Tag auf den anderen nicht mehr hin. Als Danny vierzehn war, gründete er mit seinen Freunden eine Rockband. Wenn sie zusammen in der Scheune probten, brachte Ada ihnen Cola
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