Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition)
jucken scheint.
Zu meiner Rechten erscheint wieder die klobige Zip für ihren Rundflug über die Kuppel. Erneut feuert sie auf unsere Anlage und ein paar Sekunden lang wackeln hier alle Wände. Silas, Oscar und ich starren einander an und fragen uns einen entsetzlichen Augenblick lang, ob das ganze Ding samt uns in sich zusammenstürzen wird. Aber der Schaden scheint nur oberflächlich zu sein und rasch kommt das Gebäude wieder zur Ruhe.
Oscar stößt mich mit dem Ellbogen an. »Worauf wartest du?«, fragt er. In seinen Augen liegt etwas Unerbittliches, der Krieg ist für ihn Alltag geworden.
Ich spähe wieder durchs Zielfernrohr. Um dem fliegenden Schutt der Anlage auszuweichen, sind einige der Ministeriumssoldaten ausgeschert und haben damit Vanyas Miliz ein Verteidigungsloch eröffnet, durch das sie über die Sandsäcke hinweg einfallen können. Schüsse knallen. Einer der Sequoianer schleudert einen Soldaten zu Boden und rammt seinen Kopf immer wieder in die Erde. Mir dreht sich der Magen um. Ich ziele und drücke ab. Der Milizionär lässt den Soldaten fallen und hält sich die Seite. Dann reißt er den Helm runter. Es ist nicht irgendein Soldat. Ich habe auf Wren geschossen.Wie ein schweres Eisenrohr kippt sie zu Boden. Binnen Minuten sind ihre Kameraden über sie hinweggetrampelt, und wenn sie vorher nicht tot war, dann ist sie’s jetzt.
»Ich hab Wren umgebracht«, sage ich zu Silas.
Er schaut finster. »Sie oder meine Familie, so ist das eben.« Ich hasse es, dass er recht hat. Ich hasse das Töten und das Aufrechnen eines Menschenlebens gegen das andere. Wann wird es jemals ein Ende haben? Es muss ein Ende haben, ich bin selbst am Ende, ich kann nicht mehr. Ich halte diese Welt nicht länger aus.
»Die sind schon zu nahe am Turm. Ich kann nicht mehr richtig zielen«, sagt Oscar im Aufstehen. »Und wenn die unten eindringen, können sie über die Feuerleiter in den Kontrollraum gelangen. Da kriegen wir sie dann nie wieder raus.«
Wir springen auf und folgen ihm. War Oscar einer der Ministeriumssoldaten, auf die ich noch vor ein paar Wochen beim Angriff auf den Hain geschossen habe? Ich bin ein Wendehals, der mit dem Feind gemeinsame Sache macht, wird mir bewusst. Aber heute müssen wir Seite an Seite kämpfen, um die Kuppel zu verteidigen und alle, die wir lieben.
Und das scheint das Richtige zu sein.
QUINN
Die Notstandssirene veranstaltet hier in Zone Eins einen Höllenradau und wahrscheinlich ist es in der übrigen Kuppel nicht anders. Die Straßen sind verwaist. Die Premiums müssen sich alle zu Hause oder in den Amtsgebäuden verschanzt haben. Wie lange wird es dauern, bis es auch dort keine Luft mehr gibt?
In den Fenstern zur Straße erkenne ich an die Scheiben gedrückte Gesichter. Keiner wagt sich nach draußen.
Ich prüfe meine Füllstandsanzeige. Niedrig, aber fürs Erste genug. Will ich mal hoffen.
Ich sprinte die breite Prachtstraße entlang Richtung Justizgebäude, denn dort wartet Bea.
Und es ist alles okay mit ihr.
Das ist so.
Das weiß ich.
BEA
Lance Vines Hautton ist von rosa ins Bläuliche übergegangen. Nicht mehr lange und ich sehe genauso aus. Ich schließe die Augen und verdränge den Gedanken. Ich verdränge jeden Gedanken und konzentriere mich aufs Ausatmen. Mitzählen, erst bei zehn wieder einatmen, um das Bisschen verbliebenen Sauerstoff in der Zelle zu rationieren. Die Luft ist so dünn, dass jeder Atemzug zur Qual wird. Mein Kopf droht zu zerspringen.
Ich öffne die Augen und richte sie aufs rote Blinklicht an der Decke, als Niamh reingestürzt kommt.
»Lass die Tür auf«, röchle ich in den Sirenenlärm, der aus den Lautsprechern heult. Sie hört mich nicht und schon ist die Tür wieder zu.
»Oh nein!« Niamh starrt auf Vine, der leblos auf dem Boden liegt. Sie stupst ihn mit dem Fuß an. »Was hast du gemacht?« Sie fasst sich an den Hals. »Die Luft«, sagt sie. »Ich kann nicht…« Der Rest geht in ihrem Husten unter.
Ihr Blick auf mich ist mörderisch und angsterfüllt zugleich. Ich lebe, Lance Vine ist tot. »Die Wachen haben alle einfach ihre Posten verlassen, aber das regeln wir…wenn alles wieder normal läuft«, sagt sie. Sie geht zur Gegensprechanlage und will gerade den Knopf drücken, als der Groschen fällt. Röchelnd glotzt sie mich an und mich überkommt gerade das ungute Gefühl, dass ich jetzt wohl auch noch Niamh beim Sterben zusehen darf, als sie an der Klinke zerrt und die Tür aufschwingt. Niamh schreit auf. Genau wie ich.
Da steht
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