Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition)
Keane und Lennon schon mit ihren Rucksäcken am Fuß der Treppe. Sie sind bereit, alles hinter sich zu lassen und mir zu folgen.
»Mom!«, brülle ich.
Sie erscheint in einem schweren Mantel. Ihre Wut scheint verraucht. Wimmernd umklammert sie ihren Bauch.
»Das Baby kommt«, sagt sie.
BEA
Ich überlasse es den Rebellenkollegen, die Kommandozentrale von Breathe zu plündern, und mache mich auf zum Krankenhaus an der Grenze zwischen den Zonen Eins und Zwei. Der Sauerstoffgehalt in der Luft sinkt merklich ab, aber es ist immer noch besser als in der Zelle. Ich bewege mich zügig, vorbei an randalierenden Menschentrauben, bis ich in eine ruhige Nebenstraße gerate, in der sich zwei Jungs um ein Miniatemgerät prügeln. Schon habe ich es mir unter den Nagel gerissen, mir die Maske übers Gesicht gezogen und die Flucht ergriffen. Sie fluchen mir noch hinterher, doch ich bin schneller. Stärker. Trotz brennender Beine und Gekeuche fühlt sich das Rennen an wie ein kleiner Sieg gegen das Ministerium.
Das riesige, weiße Klinikgebäude nimmt fast einen ganzen Straßenblock ein. Das Pförtnerhäuschen finde ich verlassen vor, das Tor sperrangelweit offen. Ich stolpere den Weg hinauf in die verwaiste Empfangshalle, wo das Schaltbrett wie wild vor sich hin blinkt und klingelt und überall herrenlose Krankenhausbetten und Rollstühle rumstehen.
Aus einem der Zimmer kommt eine Ärztin mit Stethoskop um den Hals und blutverschmiertem Kittel getaumelt. »Sauerstoff für Besucher ist aus«, sagt sie und versucht, mich zurück durch die Drehtür zu drängen.
»Ich suche nach einem Kind«, rufe ich.
Sie lässt mich los und zerrt mich zum Schaltbrett, um es zum Schweigen zu bringen. »Die Seconds sind hoch in den Premiumflügel gebracht worden. Das wird uns zwar unsere Jobs kosten, aber wie’s aussieht, können wir die sowieso vergessen.« Das Gebäude erbebt und die Ärztin schaut mich lange an. »Ich habe selbst Kinder. Ich muss los«, sagt sie und hastet durch den Ausgang auf und davon.
Ich nehme zwei Stufen auf einmal hinauf in den zweiten Stock. Der Flur quillt über von hustenden Patienten, die teils noch an ihren Infusionsständern hängen. Ich bahne mir einen Weg durchs Getümmel und entdecke schließlich Jazz am Ende des Ganges, das Bein in einem schweren Gips, die roten Locken wie Spaghetti auf dem Kopf aufgetürmt.
Gott sei Dank.
»Jazz!«, brülle ich. Mit ihren Krücken hüpft sie mir entgegen.
»Du hast dir ganz schön Zeit gelassen«, sagt sie und boxt mich in den Bauch.
Ich kann nicht anders, ich muss einfach ihre Faust küssen. »Bereit zum Abmarsch?«
»Ich war schon gestern bereit«, meint sie unterwegs zur Treppe.
Sie klammert sich am Geländer fest und nimmt zweiStufen auf einmal. »Mach hin«, sagt sie, als sich die Tür öffnet.
Ich schnappe mir Jazz, um sie notfalls verteidigen zu können, als Keane und Lennon erscheinen, gefolgt von Quinn, der seine Mutter stützt. »Wir brauchen einen Arzt«, ruft er. Der Bauch seiner Mutter hat sich gesenkt. Ich pack es einfach nicht. Ausgerechnet heute.
»Bleib da«, trage ich Jazz auf und helfe, Mrs Caffrey in den zweiten Stock zu schaffen. Sie kreischt und windet sich, als wir sie auf dem Boden ablegen. »Hilf uns doch jemand!«, schreit Quinn.
»Die Ärzte sind alle weg«, sagt ein Second mit Augenverband.
Cynthia Caffrey heult auf und umklammert ihren Bauch. »Ich muss pressen.«
Quinn dreht sich zu mir. Sein Gesicht ist kreidebleich. »Sie muss pressen«, wiederholt er.
QUINN
Alle Betten auf der Station sind belegt, doch die Leute darin meiden unseren Blick. Ich bin schon kurz vorm Ausrasten, als sich eine bleiche Frau aus dem Bett quält, um meiner Mutter Platz zu machen. »Gibt’s denn im ganzen verdammten Laden hier keine einzige Schwester mehr?«, frage ich. Jetzt schallen Sirenen durchs ganze Gebäude.
Die Frau schüttelt den Kopf. »Das bisschen Personal, das noch nicht das Weite gesucht hat, ist gerade bei einem Blinddarmdurchbruch.« Sie zieht zwei Schlaufen heraus, die seitlich am Bett befestigt sind, und schiebt die Füße meiner Mutter hindurch.
Meine Mutter umklammert die Matratze. »Holt Doktor Kessel!«, schreit sie.
»Hier gibt’s keine Ärzte mehr, Mom«, sage ich.
Sie versucht, sich aufzurichten. »Hier werde ich das nicht machen. Nein. Nein.« Und dann beginnt sie zu kreischen und die Augen zuzupressen.
Bea rollt sich die Ärmel hoch und wendet sich an meine Brüder. »Ihr solltet nicht dabei sein. Geht und kümmert euch
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