Breathe - Flucht nach Sequoia: Roman (German Edition)
getrieben. Du kannst mir helfen.«
»Ich? Nein… mit der Spezialeinheit bin ich durch.«
Er kneift die Augen zusammen. »Das besprechen wir besser morgen.«
»Morgen will ich genauso wenig drüber reden. Ich steige aus. Diese Leute waren keine Terroristen. Das waren Gärtner , Jude. Und die meisten so alt wie ich.« Ich habe sie ja zu verdrängen versucht, die Gedanken an all die Menschen, die wir ermordet haben, aber da sind sie wieder, knallhart und unerbittlich: Die Gesichter der Jungen und Mädchen, nur ein paar wenige mit kugelsicheren Westen, kein Einziger mit einer automatischen Waffe. Gewehre hatten sie, Pistolen. Das war kein Krieg – das war ein Massaker.
»Diese Leute sind schuld am Tod deines Vaters.«
Er weiß, dass ich nur bei der Spezialeinheit gelandet bin, um meinem Vater zu gefallen. Aber jetzt nach seinem Tod ist es mir seltsamerweise völlig gleich, ob er sich im Grab umdreht. Ich habe keinerlei Interesse daran, fürs Ministerium zu arbeiten und mein Leben damit zu verbringen, völlig grundlos auf Menschen rumzutrampeln.
»Nein. Für diesen Aufstand sind nur die Lügen des Militärs verantwortlich und damit will ich nichts mehr zu tun haben.«
»Dir bleibt da keine Wahl. Hast du irgendeine Vorstellung, was deine Ausbildung gekostet hat?«
»Ich zahl es zurück, egal wie viel. Wir haben Geld.«
Jude seufzt. »Keiner von uns hat noch Geld, Oscar. Dieses Haus, der Geländewagen, deine Haushälterin, verdammt, sogar deine Luft…. wer zahlt denn das alles, deiner Meinung nach?«
»Aber mein Vater hatte Anteile an Breathe. Eine Pension.«
»Mag sein«, sagt er. »Aber ein Soldat der Spezialeinheit schmeißt nicht einfach hin. Du bist eine der gefährlichsten Waffen des Ministeriums. Die geben dich nicht frei. Wer sagt, dass du nicht desertierst?«
»Aber du kannst mir da raushelfen.«
Er lächelt. »Wenn’s nur so einfach wäre. Ich bin genauso deren Sklave wie jeder andere auch.«
»Ich werde einfach den Kampf verweigern«, sage ich. Zwingen können sie mich nicht.
»Mach dir doch nichts vor. Was glaubst du, was die mit dir anstellen? Und mit deiner Schwester? Hast du schon vergessen, was mit Adele Rice passiert ist?«
»Die ist gestorben, weil…« Ich halte inne und starre Jude an, der langsam nickt. Es war überall in den Nachrichten: Adele Rice, Elitesoldatin der Spezialeinheit, nach einer Expedition ins Ödland plötzlich abgängig und schließlich für tot erklärt. Das Ministerium machte die ›Terroristen‹ verantwortlich. Gab es auch nur einen Terrorangriff, der wirklich einer war?
Mein Magen krampft sich zusammen, Verbitterung über meinen Vater, das Ministerium und Jude Caffrey schießt in mir hoch. Ich schlucke schwer und habe den verzweifelten Drang, in mein Atelier zu stürmen und mit Farbe um mich zu schmeißen. Warum bin ichvor all den Jahren nicht einfach dort geblieben, um das zu tun, was ich liebe, statt zu versuchen, den Wunschtraum meines Vaters vom Soldatensohn zu erfüllen?
»Die Minister haben dich und deine Schwester für nächste Woche in den Senat eingeladen. Sie wollen euch ihr Beileid aussprechen.« Er steht auf, zieht den Mantel über und hebt sein Atemgerät vom Boden auf.
»Ganz wie’s das Protokoll verlangt«, fährt er ausdruckslos fort. »Und noch mal, so leid es mir tut, ich kann dir nur dringend empfehlen: Wenn du Sicherheit suchst, mach dich nützlich. Die Spezialeinheit genießt ein hohes Ansehen und wir werden euch brauchen, um in der Kuppel aufzuräumen. Ich an deiner Stelle würde uns noch nicht abschreiben.« Er dreht sich in dem Augenblick zur Tür, als Todd und Niamh wieder in der Küche erscheinen. Todds Hals und sein weißes T-Shirt sind mit Niamhs rotem Lippenstift beschmiert. Ich muss mich an der Tischkante festkrallen, um nicht aufzuspringen und ihm eine reinzuhauen.
»Die hier nehm ich mir mit.« Todd reckt eine Sauerstoffflasche hoch. Niamh kommt in die Küche und lässt sich auf den Stuhl neben mir fallen. »Also dann, Niamh, wir sehen uns in der Schule, was?«
Niamh kaut auf einem Daumennagel rum. »Klaro.«
»Soll ich warten, bis du anrufst, oder soll ich…«
»Verzieh dich einfach«, sage ich.
»Hä?«
»Zisch ab«, fauche ich.
»Was führst du dich so auf?«, winselt Niamh.
»Bin ja schon weg. Nur die Ruhe«, murmelt Todd und verschwindet aus der Tür.
»Das sag ich Dad«, mault Niamh. Wir beide sind so gut wie erwachsen, aber wenn ich sie anschaue, sehe ich immer nur meine kleine Schwester von vor zehn Jahren
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