Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
fliehen. Komm mit«, sage ich.
»Nehmt Jazz mit!« Mit diesen Worten wendet sich Petra von uns ab und klettert den Baum hinauf, geradewegsauf den Schaum zu. Zwei Zips donnern über unsere Köpfe hinweg.
»Also, ich gehe jetzt!«, brüllt Silas.
Aber als ich Jazz am Ellbogen packe und sie wegziehen will, stemmt sie ihre Füße in den Boden und macht sich schwer wie ein Zementsack.
»Helft mir, Petra da runterzukriegen«, fleht sie. Die Tränen hinterlassen ein ganzes Netz von Spuren auf ihrem dreckigen kleinen Gesicht.
»Wir können nicht länger warten, wir müssen los. Wir versuchen, am Fluss entlangzulaufen. Richtung Sequoia. Petra will hier sterben, Jazz. Lass sie«, sage ich.
Es hat keinen Sinn mehr, dem Kind etwas vorzumachen. Aber Jazz will die Wahrheit nicht hören. Sie entwindet sich meinem Griff und klettert schnell wie ein Äffchen am Stamm von Petras Baum empor. Schon nach wenigen Sekunden ist sie außer Sicht.
Silas steht hinter mir. »Sie hat ihre Wahl getroffen«, meint er. »Lass uns gehen!«
»Aber sie ist noch ein Kind!«, sage ich, an niemanden Spezielles adressiert.
Doch wir wissen, dass wir nicht länger warten können. Wir rennen über die riesige schwelende Freifläche zum westlichen Ende des Stadions, wo wir das Lager mit den Atemgeräten stürmen und uns so viele Flaschen schnappen, wie wir tragen können. Dorian wird sie zwar kaum brauchen, Silas und ich hingegen schon – trotz unseres intensiven Trainings in den letzten zwei Wochen. Von Maude und Bruce ganz zu schweigen. So wie es aussieht, ist noch keiner unserer Feinde bis zu dieser Seite des Gebäudesvorgedrungen. Dafür klingt das Geschützfeuer aus nordöstlicher Richtung umso schrecklicher.
Dorian legt seine Waffe ab und schiebt die Riegel der schweren Außentür zurück, während Silas und ich unsere Atemgeräte anlegen und sicherstellen, dass Maude und Bruce ebenfalls versorgt sind.
»Hände hoch!«, ertönt da plötzlich eine harsche Stimme.
Wir fahren herum und stehen einem korpulenten Militär in voller Montur gegenüber. Er hat sein Gewehr auf uns gerichtet, ebenso wie die zehn Soldaten hinter ihm. Ich bin mir sicher, dass das mein Ende ist. Fieberhaft versuche ich, mir etwas Schönes vorzustellen, damit mein letzter Gedanke ein friedvoller ist.
»Sie kenne ich doch«, knurrt Silas. »Sie haben meinen Freund umgebracht.« Er geht ein paar Schritte auf den Kerl zu, dann gelingt es Dorian und Bruce, ihn festzuhalten.
»Sollen wir abdrücken, General?«, fragt einer der Soldaten.
»Na los, tu’s doch, du Schisser, worauf wartest du noch?«, schnaubt Maude und spuckt ihm vor die Füße.
»General?«, drängt der Soldat und fuchtelt mit seinem Gewehr zwischen Maude und Silas hin und her.
»Schisser!«, wiederholt Maude.
»Nein. Wir brauchen ein paar von denen lebend, um ein Exempel an ihnen zu statuieren. Öffentlich.«
»So wie schon an Ihrem Sohn ein Exempel statuiert wurde?«, Silas spuckt ihm die Worte förmlich vor die Füße.
Der General lässt seine Waffe sinken und tritt seinerseits ein paar Schritte auf Silas zu. Ist das etwa Quinns Vater? Sieht ganz so aus.
»Erstaunlich, dass er nicht öffentlich hingerichtet wurde, als ihr endlich geschnallt habt, dass er euch verarscht hat. Wie viele Tage habt ihr eigentlich darauf verschwendet, die Strände umzugraben? Hoffentlich hat wenigstens das Sandburgenbauen Spaß gemacht.«
»Was weißt du über meinen Sohn?« Der General packt Silas an der Jacke und drückt ihn gegen die Wand.
»Ihr Sohn hat mit ansehen müssen, wie Sie Inger umgebracht haben. Ja, er hieß Inger. Wussten Sie das? Interessiert es Sie überhaupt?« Silas’ Blick ist hasserfüllt. »Ja, Ihr Sohn weiß, dass Sie ein Mörder sind. Tja, das ist es, was ich von Ihrem Sohn weiß. Aber sagen Sie, was wissen Sie eigentlich von ihm?«
Ich trete vor. »Quinn weiß, was Sie getan haben, und er schämt sich für Sie. Er weiß, was Sie sind, und er weiß, was wir sind. Und er hat sich für uns entschieden.«
Der General fährt herum und starrt mich an. »Ah, du musst diese berüchtigte Sirene sein. Hm, bist allerdings nicht halb so hübsch, wie ich gedacht hätte.«
»General?« Der Soldat schaut an uns vorbei in den langen Gang, der sich langsam mit schwarzem Schaum füllt. Egal, auf welcher Seite wir kämpfen: Wenn wir nicht augenblicklich verschwinden, wird uns dieser Schaum bei lebendigem Leib verschlingen. Bruce und Dorian machen sich wieder an den Riegeln der Tür zu schaffen und niemand
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