Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)

Titel: Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Crossan
Vom Netzwerk:
Old Watson mir gebraut hat, wird in der Tasse kalt. Den Vormittag verbringe ich damit, in Watsons Wohnung herumzutigern und zu zappen, auf der Suche nach einem Kanal, der das Interview überträgt. Aber wie sich herausstellt, ist das gar nicht nötig: Als es so weit ist, zeigt kein Sender etwas anderes.
    »Ich sollte Sie dorthin begleiten«, sage ich, als Old Watson prüfend auf seine Hosentaschen klopft und sich zum Gehen bereit macht.
    »Du solltest vernünftig sein«, antwortet er und meint damit wohl, ich solle mich nicht von meinen Emotionen leiten lassen. Er weiß ja nicht, dass ich, wenn es um Quinn geht, einfach nicht vernünftig sein kann. Das hat noch nie geklappt.
    »Wenn du die Wohnung verlässt, werde ich nicht wissen, wo du bist, und dann muss ich einen Suchtrupp aufstellen. Also, bleib bitte hier«, sagt er und ich nicke. Kurz sieht er so aus, als wolle er mich umarmen, aberdann überlegt er sich’s wohl doch anders, nickt mir nur zu und eilt davon.
    Der Kommentator im Fernsehen lässt sich gerade über das rege Interesse an dem bevorstehenden Exklusiv-Interview aus. Ich greife endlich zu meiner Tasse und nippe an dem erkalteten Getränk.
    Jetzt schweift die Kamera über eine Reihe von Leuten, die hinter einem langen Tisch auf dem Podium sitzen. Und da sehe ich auch Quinn. Ich stelle die Tasse ab und schiebe einen Stuhl ganz nah vor den Bildschirm. Quinn trägt Hemd und Schlips, und er sitzt direkt neben dem Justizminister, einem dicklichen, rotgesichtigen alten Mann, der so aussieht, als wäre er kurz vorm Einschlafen – ungeachtet des Trubels um ihn herum. Quinn wirkt ziemlich ruhig, doch sein Gesicht ist grau und sein Blick auf irgendeinen fernen Punkt jenseits der Menschenmenge gerichtet. Mechanisch öffnet er den obersten Knopf seines Hemdes, woraufhin ich automatisch den Reißverschluss meiner Wolljacke ein paar Zentimeter herunterziehe.
    »Ich begrüße all diejenigen, die erst jetzt zuschalten, auf Kanal 4 von Kuppel-TV«, lässt sich der Kommentator vernehmen. »Die Atmosphäre hier ist spannungsgeladen, denn in wenigen Minuten werden sich der Präsident und Quinn Caffrey zu Wort melden. Bleiben Sie auch nach dem Interview noch dran – denn dann schalten wir live zum Antiterror-Marsch.«
    Einzelne Zuschauergrüppchen halten Anti-RATTEN-Transparente in die Höhe und brechen in Jubel aus, sobald sich auf dem Podium irgendjemand auch nur einenZentimeter bewegt. Ich versuche, meine Eltern oder Old Watson zu erspähen, aber das ist unmöglich: Vor dem Justizgebäude dürften sich mehrere Tausend Menschen versammelt haben  – Premiums und Seconds gemeinsam auf engstem Raum. Das kommt nicht allzu oft vor und ich muss unwillkürlich lächeln. Doch das Einsetzen einer schnellen, dramatischen Hintergrundmusik holt mich jäh in die Wirklichkeit zurück.
    Ich halte den Atem an, als der Präsident grinsend und mit dem Gehabe eines Rockstars auf die Bühne stolziert. Als der Beifall anschwillt, verbeugt er sich, dann zieht er ein lilafarbenes Taschentuch aus seiner Brusttasche und wedelt damit in der Luft herum.
    »Der Präsident ist ja bekannt für seine offenherzigen Interviews, aber Auftritte bei Großveranstaltungen wie dieser sind eher eine Seltenheit. Umso begeisterter feiern ihn die Massen hier«, bemerkt der Kommentator.
    Als die Musik verklingt, nimmt der Präsident neben Quinn Platz, wobei er ihm wie beiläufig scherzhaft durchs Haar wuschelt. Dann hebt er die Hand und im Nu ist es mucksmäuschenstill.
    »Sieht so aus, als würde es jetzt beginnen«, verkündet der Kommentator, für den Fall, dass die Zuschauer zu blöd sind, um selber zu diesem Schluss zu kommen. Aber wer weiß, vielleicht ist es ja inzwischen wirklich so, dass wir keine eigenen Schlüsse mehr ziehen?
    Der Präsident klopft auf ein Mikrofon, das irgendwo hinter seinem Revers verborgen ist, woraufhin eine Serie von Paukenschlägen über den Äther geht und ich regelrechtaus meinem Stuhl hochfahre. Der Präsident lächelt:
    »Wir durchleben gerade aufreibende Zeiten, liebe Freunde, wirklich aufreibende Zeiten«, beginnt er. »Jeden Tag, jeden einzelnen Tag wird unser Lebensstil, ja, unsere blanke Existenz durch das geistlose Barbarentum von Terroristen bedroht, die nichts anderes wollen, als Angst in unsere Herzen zu säen. Diese Terroristen sind Fanatiker, deren Überzeugungen wir nicht teilen und deren Wertvorstellungen krank sind. Sie trachten danach, die Kuppel zu zerstören und unsere Sicherheit zu gefährden. Sie

Weitere Kostenlose Bücher