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Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt

Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt

Titel: Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Price
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hätte mich schamhaft der Betrachtung von Zahnbürsten gewidmet, während meine Mutter aus dem Nebengang vor dem Regal mit den Binden lautstark Fragen wie: »Mit oder ohne Duft?« oder »Willst du welche mit Seitenflügeln?« durch den Laden gebrüllt hätte. Stattdessen überzeugte mich meine Mutter davon, Betty einzuweihen. Die beiden unterhielten sich verstohlen miteinander. Als ich wieder in meinem Zimmer war, kramte Betty in ihrem Necessaire und förderte eine Tena Lady zutage.
    Dass ich als Zwölfjährige zusätzlich zu der Demütigung durch meine erste Monatsregel auch noch mit einer Inkontinenzeinlage für Erwachsene herumlaufen musste, wäre schonbeschämend genug, doch unsere geplante Reiseroute machte die Sache noch schlimmer. Wären wir in der Nähe des Hotels geblieben, hätten wir sicher irgendwo in der Stadt Binden gefunden, ehe Bettys Vorrat versiegte. Meine Eltern jedoch, denen ein selbst organisierter Urlaub mit möglichst authentischen Erlebnissen viel bedeutete, hatten Tickets für einen Nachtzug reserviert, der uns in eine dreiundzwanzig Stunden entfernt gelegene Stadt bringen sollte. Bereits auf dem Weg zum Bahnhof begnügte mein Körper sich nicht mehr damit, einfach zu menstruieren, sondern überraschte mich mit schmerzhaften Krämpfen. Meine Mutter verabreichte mir zwei extrastarke Schmerztabletten. Ich taumelte in den Zug und wachte erst drei Stunden später in der obersten Schlafkoje eines fahrenden Wagens wieder auf. Meine Eltern und Betty spielten in den unteren Kojen Bridge, tranken sogenannten »Tee«, den sie aus Johnny Walker Black und Wasser zubereiteten, und kicherten unentwegt. Ich musste dringend zur Toilette.
    Umständlich ließ ich mich aus der oberen Koje hinuntergleiten und entriegelte die Abteiltür, doch meine Mutter hielt mich zurück, ehe ich mich auf die Suche nach dem Örtchen machen konnte.
    »Das Klo ist verstopft«, sagte sie. »Betty und ich haben es bereits ausprobiert, aber es stinkt so entsetzlich, dass wir uns beinahe übergeben hätten.«
    »Und was soll ich jetzt machen?«
    »Das Gleiche wie wir«, erklärte meine Mutter. Betty und mein Vater kicherten angeheitert. »Pinkele hier hinein.«
    Meine Mutter reichte mir einen leeren, wiederverschließbaren Plastikbeutel. Schlimmer als die Tatsache, dass meine Mutter mich aufforderte, in einen Tiefkühlbeutel zu urinieren, wog für mich der Fakt, dass ich es in Anwesenheit meines Vaters tun sollte. Ich hielt den Beutel in der Hand, starrte meine Mutter an, richtete dann den Blick auf meinen Vater und sah wieder zu ihr hin, bis sie endlich begriff, was ich ihr mitteilen wollte.
    »Würdest du bitte mal rausgehen, Richard? Catherine braucht ihre Intimsphäre.«
    Meine Mutter und Betty saßen mir gegenüber und spielten Karten, während ich mich hinhockte, mein Höschen hinunterzog, die Windel beiseiteschob und in den Beutel pieselte, wobei ich mir Mühe gab, in dem schaukelnden Zug das Gleichgewicht zu wahren.
    »Ich will das nicht«, sagte meine Mutter, als ich ihr den Beutel geben wollte. »Gib es deinem Vater.« Ich schob die Abteiltür auf und fand meinen Vater im Gang, wo er den Reisfeldern beim Vorbeihuschen zusah. Eine misslungene Polypenoperation hatte seine Riechfähigkeit seit seiner Kindheit beeinträchtigt. Nun nahm er den Beutel, brachte ihn zur Zugtoilette, entsorgte ihn in die Schüssel, stocherte mit einem Kleiderbügel nach, bis der Beutel auf die Gleise fiel und zerplatzte, kehrte in unser Abteil zurück und widmete sich wieder seinem »Tee«.
    Als wir am folgenden Tag in Beijing ankamen, war der Sommerpalast das erste Ziel der Familie. Mein erstes Ziel war die Toilette – ein niedriges Gebäude, das sich nur wenige, nach Urin riechende Schritte vom Haupteingang entfernt befand. Drinnen unterteilten hüfthohe Trennwände ein langes, nach einer Seite leicht abfallendes Porzellanbecken in acht »Abteile«. Über dem Becken hockten Frauen und präsentierten der restlichen Welt ihr nacktes Hinterteil. Einige blätterten in Zeitschriften, die meisten pressten sich gegen den durchdringenden Gestank ein Taschentuch vor die Nase. Von dem Druck meiner Blase und der Präsenz der Inkontinenzeinlage getrieben, ignorierte ich die Ausdünstungen, hastete zum anderen Ende des Raums und wählte das letzte »Abteil«, weil ich hoffte, dort von den wenigsten Leuten gesehen zu werden. Ich blickte mich um, ob jemand mich beobachtete, und schob meinen Slip über die Knie. Erst als ich mich niederkauerte und mein Blick

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