Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt
Vorwort
E s gibt eine Vielzahl an Dingen, die ich unbedingt tun sollte, ehe ich sterbe.
Zumindest legt mir meine Stammbuchhandlung das nahe. Jedes Mal, wenn ich den Laden betrete, springen mir ganze Regale voller Ratgeber ins Auge, in denen Dinge aufgelistet sind, die man vor seinem Tod auf jeden Fall noch erleben muss. Die Skala reicht von 1000 Orte, die man gesehen haben muss , bis zu 101 Dinge, die du getan haben solltest, bevor du alt und langweilig bist . Der Gedanke, der dem Buch von Patricia Schultz über die 1000 Orte, die man vor seinem Tod gesehen haben sollte , zugrunde liegt, gefällt mir – aber das, was er bewirkt, stresst mich zunehmend.
Es gibt Listen über Jazz- CD s, die ich gehört und über Lebensmittel, die ich gekostet haben muss, Listen über Gemälde, die ich gesehen und Wanderungen, die ich unbedingt unternommen haben muss. Mein Vater besaß ein Buch, das 1001 Gärten anpries, durch die ich vor meinem Tod unbedingt noch wandeln muss. Wie aber soll ich es schaffen, die 1001 Filme zu sehen, wenn ich doch gleichzeitig die 1001 Bücher lese und zu 1001 historischen Bauwerken reise – ganz zu schweigen von den 500 Orten, die ich noch sehen muss, ehe sie untergehen. Nachdem ich ein Buch über 101 Orte, an denen ich Sex haben sollte, gefunden hatte, fühlte ich mich versucht, den Ratgebern abzuschwören, mir eine Auswahl der 1001 Biere einzuverleiben und an einen von 1001 Zufluchtsorten zu fliehen.
Ich gehöre zu den Leuten, die regelmäßig Listen erledigter Aufgaben führen – eigentlich nur, um mir zu beweisen, wasich erreicht habe. Wie so viele andere Menschen verbringe ich schon deutlich zu viel Zeit mit willkürlichen Dingen, die ich tun sollte – und bin damit so beschäftigt, dass ich kaum noch merke, wie die Augenblicke verrinnen. Das Letzte, was ich brauche, ist ein Buch, das meine Abenteuerlust gegen die mir noch bis zu meinem Tod verbleibende Zeit aufrechnet – vor allem, wenn es sich um einen Ratgeber der 1001 Plätze handelt, an denen ich einmal Golf gespielt haben sollte.
Und so beschloss ich, eine Art Gegenratgeber zu schreiben: eine Liste über Orte und Erfahrungen, die man sich getrost schenken kann. Ich bat weit gereiste Freunde, Familienmitglieder und manchmal auch mir völlig fremde Menschen, mir von überbewerteten Touristenorten, langweiligen Museen, uninteressanten historischen Stätten und Umständen zu berichten, die selbst verlockende Ziele erbärmlich erscheinen lassen.
Manche Beiträge handeln von fraglos unangenehmen Orten, wie beispielsweise einem Gelände voll von verwesenden Leichen oder einer Fanstunde während der Pornomesse in Las Vegas. Andere Erlebnisse wiederum sind kontextabhängig: Aus der Perspektive des Stiers sieht die Stadt Pamplona völlig anders aus. Und manche Artikel sind einfach nur nette Geschichten, wenngleich es lustiger ist, sie zu lesen, als sie selbst zu erleben.
Während ich Vorschläge sammelte, fiel mir bei Leuten, die häufig reisen, eine Gemeinsamkeit auf: Sie scheuen sich, eine Erfahrung als schlecht einzustufen. »Ich habe eine Schwäche für hässliche Orte und eine geradezu perverse Neigung, selbst die schlimmsten Erfahrungen als Quell der Freude und angenehmen Kitzel anzusehen«, schrieb mir eine Freundin über ihre Unfähigkeit, Usbekistan oder – noch drastischer – Detroit zu hassen. Natürlich hat sie recht. Je schlimmer etwas im Augenblick erscheint, desto besser kommt die Geschichte an, wenn sie später zu Hause erzählt wird. Und deshalb habe ich für die Zeitgenossen, die den Besuch einer Institution mit verwesenden menschlichen Leichen als angenehmen Zeitvertreibempfinden, einige Orte aufgelistet, die man nicht besuchen kann, selbst wenn man noch so entschieden versucht, in allem nur das Positive zu sehen. Dazu gehört neben der Halbinsel Yucatán vor fünfundsechzig Millionen Jahren auch das untere Ende des extrem tiefen Bohrlochs auf der Halbinsel Kola. Auf den ersten Blick ergibt es vielleicht keinen Sinn, Sie vor Orten wie dem unwirtlichen Jupitermond Io zu warnen – aber sehen Sie es einmal so: Wenn jemand eines Tages ein Buch über die 1001 wichtigsten Orte im Weltall veröffentlicht, stehen Sie nicht ganz so unter Druck.
Ganz gleich, welche Art zu reisen Sie bevorzugen – ich lade Sie ein, sich eine Pause von Ihren To-do-Listen zu gönnen und einen Moment der Dankbarkeit zu erleben angesichts der Dinge, die Sie nicht tun müssen. Und wenn Sie schließlich bereit sind, selbst zu einer Reise
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