Breed: Roman (German Edition)
Behandlungen zur Verfügung zu haben, und während viele Paare sich auf der Suche nach Fruchtbarkeit finanziell ruiniert haben, bleiben Alex und Leslie am Ball – unablässig und ohne Pause. Sie haben zwei Hypnotiseure aufgesucht, einen in Tribeca, dessen Atem nach Rost roch, und den anderen in Los Angeles, der wie eine lebendig gewordene Marionette aussah. Sie sind nach Clearwater, Florida, ins »Whispering Sage Sanctuary« gereist, ein sogenanntes ayurvedisches Gesundheitszentrum, wo ein langes Wochenende mit Panchakarma-Kuren, Yoga und Meditation geboten wurde, mit dem einzigen Ergebnis, dass Alex sich etwas am Rücken zerrte, während sich Leslie eine leichte Lebensmittelvergiftung zuzog. Sie haben Homöopathen und Psychiater konsultiert, und obwohl beide nicht besonders religiös sind, haben sie auch eine Klinik namens »Answered Prayers« aufgesucht, wo Worte und Fachbegriffe wie
ektopisch, Ovarialzysten, Endometriose, Polyzistisches Ovarialsyndrom, Teratozoospermie
und
ovarielle Funktionsreserve
durch die Luft schwirrten, wo es jedoch im Grunde darum ging, das Neue Testament zu lesen und Predigten darüber zu lauschen, wie man sich dem Segen Gottes öffnet. Sie haben gefastet, sie haben ausschließlich Obst gegessen, sie hatten den reinsten Dickdarm der Welt.
Und sie haben sich Sorgen um ihre Ehe gemacht. Schließlich mussten sie am eigenen Leib erleben, wie der unerfüllte Kinderwunsch die Flammen der Verliebtheit auslöscht, die Freude am Sex in eine Verpflichtung verwandelt und den Körper zu einer Quelle des Versagens statt der Freude macht. Dennoch haben sie sich beharrlich weiterbemüht – sechs verschiedene künstliche Befruchtungen und sogar eine gründliche Erforschung der juristischen und psychischen Gefahren einer Ei-oder Samenspende, obwohl kostspielige Spezialisten zuvor bereits Leslies Eizellen und Alex’ Sperma untersucht und, soweit erkennbar, als völlig in Ordnung bezeichnet hatten. Dennoch hat der Blitz einfach nicht einschlagen wollen; er war irgendwo da draußen, doch es war ein trockenes, fernes Wetterleuchten, nichts als ein kleines Zucken von Licht am düsteren Himmel, dem kein Regen folgte.
Als sie heute Abend nach dem Treffen ihrer Selbsthilfegruppe (die Alex als Befruchtungsverein bezeichnet) durch den Central Park gehen, ohne sich auf etwas anderes freuen zu können als auf ein ruhiges Dinner for Two und, je nach Leslies Basaltemperatur, eine triste Kopulation, sehen Leslie und Alex, wie Jim und Jill Johnson ihren kleinen Yorkshire Terrier spazieren führen.
Sie kennen die Johnsons, wenn auch nur flüchtig, aus der Selbsthilfegruppe, an der die Johnsons allerdings schon monatelang nicht mehr teilgenommen haben. Die Johnsons ähneln ihnen in vieler Hinsicht. Wie Alex ist Jim beträchtlich älter als seine Frau; auch Jim ist Anwalt, wenn auch in einer wesentlich weniger lukrativen Kanzlei als Alex. Wie Leslie stammt Jill aus dem Mittleren Westen; Jill ist Lehrerin an einer Highschool und scheint Leslie zu beneiden, da sie sich deren Job als Verlagslektorin glamourös und aufregend vorstellt. Zweimal sind sie nach dem Gruppentreffen gemeinsam etwas trinken gegangen, und einmal haben sie sich sogar zum Abendessen getroffen. Das Essen war kein Erfolg. Jill hegt anscheinend irgendeinen merkwürdigen Groll gegen Leslie. Sie hat Sätze gesagt wie: »Ach, es kommt dir bestimmt komisch vor, mit einer armen, kleinen Highschool-Lehrerin im Restaurant zu sitzen.«
»So ein Unsinn!«, hat Leslie zu Alex’ Freude geantwortet.
Heute Abend trägt Jim Johnson eine dunkelbraune Lederjacke und eine hellbraune Baskenmütze. Sein Haar ist viel zu lang. Nach Alex’ Meinung sieht er wie einer jener Anwälte aus, die sich als Kämpfer für die Unterprivilegierten gebärden, in Wirklichkeit jedoch eitle Angeber, Querulanten und Möchtegern-Revoluzzer im Geschäftsanzug sind. Jill jedoch bietet einen wirklich erstaunlichen Anblick. Sie war nie besonders schlank, aber nun ist sie regelrecht monströs. Zuerst meint Alex, Jill sei durch ihr Unglücklichsein und schlechte Gene so fett geworden, doch dann wird ihm klar, dass sie schwanger ist, ganz und gar erfolgreich schwanger, und so, wie sie aussieht, hat sie Fünflinge im Bauch. Nirgendwo auf der Welt, behaupten manche, ist man so voller Schadenfreude wie in New York, doch wenn Alex und Leslie sehen, dass ein zuvor unfruchtbares Paar Nachwuchs erwartet, dann macht ihnen das Hoffnung. Schließlich haben die Johnsons elf Jahre lang versucht, ein
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