Breed: Roman (German Edition)
hereinkommt, gekleidet in seinen Maßanzug, sein Hemd von Turnbull & Asser und mit den Schuhen von Crockett & Jones, die er eigenhändig wienert.
Wie üblich nutzt Alex die frühen Morgenstunden an seinem Schreibtisch, um liegengebliebene Büroarbeiten zu erledigen, sich kleine Notizen über die Fälle und Verträge zu machen, an denen er arbeitet, und um einfach seine Gedanken zu sammeln, ohne Ablenkung durch läutende Telefone, piepende E-Mails und andere Leute. Um neun Uhr hat Alex das Gefühl, seine Arbeit im Griff zu haben. Er steht an der Espressomaschine – das Geschenk einer bekannten Popsängerin zum Dank für das kostenlose Engagement der Kanzlei zugunsten des Chauffeurs besagter Dame –, als die ersten Mitarbeiter aus dem Aufzug treten: die langjährige Sekretärin von Alex, sein Fachangestellter, seine Praktikantin (die Tochter eines alten Freundes), zwei weitere Sekretärinnen, die ihr Frühstück in weißen Papiertüten bei sich tragen, ein IT -Jüngling mit Rucksack und Ohrhörern, die Assistentin von Lew Chang, die aussieht, als hätte sie geweint, was mehr oder weniger Alex’ Verdacht bestätigt, dass Lew und sie eine Affäre haben, was ein Gerichtsverfahren erwarten lässt, und Jim Johnson, der den Aufzug als Letzter verlässt. Sein Gesicht ist ramponiert von der hastigen Morgenrasur, und sein wallendes Haar ist auf eine vernünftige Länge gestutzt. Ein klassischer Fall von zu wenig und zu spät.
»Hallo, Jim!«, sagt Alex und deutet mit einem Handwedeln an, dass Johnson ihm durch die Kanzlei in sein Privatbüro an der Ecke folgen soll, wo Alex es sich hinter seinem Schreibtisch gemütlich macht, einem antiken Stück aus Kirschholz, das früher bei ihm zu Hause gestanden hat. Mit einem zweiten Wedeln lenkt er Johnson zu einem alten, lederbezogenen Clubsessel, der bequem aussieht, aber so tief ist, dass sich bei jedem, der darauf sitzen muss, die Knie praktisch in Höhe des Kinns befinden.
Nach einer Minute Smalltalk kommt Alex mit der Effizienz eines Mannes, der tausendsiebenhundertfünfzig Dollar pro Stunde berechnet, zum Thema der Besprechung.
»Also, Jim. Schwangerschaft. Wir verstehen nicht, wieso ihr zögert, uns den Namen eures Arztes zu nennen. Das kommt mir – genauer gesagt, uns beiden – komisch vor.«
»Tja, Alex«, sagt Johnson mit einem merkwürdigen Anflug von Sarkasmus in der Stimme, »mir kommt das nicht komisch vor. Überhaupt nicht. Ich habe deinen Gesichtsausdruck beobachtet, als du Jill gesehen hast. Und ich glaube, das wirst du verstehen,
Alex
: Ich dachte einfach, ich könnte etwas tun, um besser für meine Familie zu sorgen.«
»Was für einen Gesichtsausdruck, mein Freund?« Die Be-zeichnung
mein Freund
bedeutet normalerweise, dass man mit der betreffenden Person keineswegs befreundet ist, das ist Alex bewusst, und er bemerkt ebenso erstaunt wie amüsiert, wie rasch es zwischen ihm und Johnson zur Sache kommt.
»Neid. Wissbegier. Sehnsucht. Kummer. Wie es dir beliebt.«
»Ich habe den Eindruck, hier geht es darum, was dir beliebt, Jim.«
»Ja, darum geht es. Und darum, wie viel ich will.«
»Um uns eine einfache Information zu überlassen?«
»Ist dir das immer noch nicht klar, Alex? Wir leben in einer Informationsgesellschaft. Informationen sind Gold, sie sind Öl, Land, Macht.«
»Na schön, dann sag’s mir endlich, du Schlaumeier. Du musst mir nicht einmal verraten,
wo
ihr es habt machen lassen – aber
was
habt ihr getan? Handelt es sich um eine exklusive Klinik für künstliche Befruchtung? In diesem Fall müsste ich sagen: Ich würde mich sehr wundern, wenn es irgendetwas Seriöses gäbe, was wir übersehen hätten. Ist es mit einer Operation verbunden? Davon hat Leslie genügend durchgemacht. Oder ist es irgendein Hokuspokus, eine Geistheilung? Denn wenn das dein großer Trumpf ist, mein Freund, dann muss ich dich womöglich aus dem Fenster werfen.«
»Kann ich irgendwo ein Kästchen mit
Nichts dergleichen
ankreuzen?«, fragt Johnson, der seine Position bei diesem Schlagabtausch sichtlich genießt.
»Weißt du, als wir Woche für Woche in diesem kleinen, feuchten Raum in der Kirche zusammengehockt sind«, sagt Alex, lehnt sich in seinen Sessel zurück und legt die Fingerspitzen aneinander, »da gab es eine Übereinkunft, eine Art ungeschriebenes Gesetz, wenn du so willst, dass wir alle füreinander da sind und alle Informationen miteinander teilen. Ich finde dein Verhalten äußerst merkwürdig, Jim, wenn nicht sogar verwerflich.«
»Ich kann zwei
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