Breeds: Harmonys Spiel (German Edition)
Kopf nach hinten zog und seine kräftige Hand ihren Kiefer festhielt, sah Jonas ihr Gesicht. Er beugte sich vor und musterte die zarten Knochen, die großen, schräg stehenden Augen mit den tiefschwarzen Wimpern und das Aufflammen grüner, feuriger Wut in ihrem Blick.
Schnell machte Ely den Abstrich, sicherte ihn und trat vom Tisch zurück, während Merc die junge Frau losließ.
Die Proben waren unbedingt erforderlich. Damit der Plan aufging, musste Jonas das, was er bisher nur vermutet hatte, beweisen und sich vergewissern, dass Harmony sich noch nicht gepaart hatte. Denn das würde ihm einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen.
Die einzige Möglichkeit, Harmony jetzt noch aufzuhalten, bestand darin, sie zu töten. Aber wenn er sie tötete, würden Jonas und das Breed Ruling Cabinet nicht die Antworten und Informationen bekommen, die sie benötigten. Wenn er sie tötete, würde das seine Seele zerstören. Aber er wusste auch, dass Harmony ihm jetzt unter keinen Umständen vertrauen würde. Sie war zäh, äußerst vorsichtig, und sie wusste nur zu gut, wie leicht sie betrogen werden konnte.
Zuerst musste er sie schwächen, musste eine verwundbare Stelle finden.
Wenn er mit seiner Vermutung richtig lag, spazierte diese verwundbare Stelle mit der ganzen Arroganz und dem Selbstbewusstsein eines Mannes, der sich in der Welt wohlfühlt, die er sich geschaffen hat, durch Broken Butte in New Mexico.
Bei diesem Gedanken verzogen sich Jonas’ Lippen zu einem zufriedenen Lächeln. Er stand auf und nahm, bevor er zu der Verhörzelle ging, eine Haarbürste von seinem Schreibtisch. Mit den Borsten strich er über seine Handfläche und nickte kurz.
Es war schon viele Jahre her, dass er Harmony beruhigt hatte, indem er ihr die Haare kämmte. Er fragte sich, ob sie noch empfänglich war für die wenigen schönen Erinnerungen aus den Labors. Nur selten hatte es dort glückliche Momente gegeben, aber trotz der Jahre, die er und Harmony getrennt voneinander verbracht hatten, war er immer noch ihr Bruder. Sie waren nicht nur von derselben Art, sondern hatten auch dieselbe Mutter.
Die Mutter, die Harmony getötet hatte.
1
Broken Butte, New Mexico
Zwei Wochen später
Sie wurde beobachtet. Harmony fuhr mit ihrem Jeep auf den Parkplatz der kleinen, heruntergekommenen Bar am Rand von Broken Butte und ging in Gedanken ihre Möglichkeiten durch.
Sie musste sich am Morgen auf der Dienststelle des Sheriffs melden, sonst … »Wehe!« Typisch Jonas eben! Was zum Teufel hatte sie dort verloren, wenn sie eigentlich im Hotel die Akten aus ihrem Koffer durchgehen sollte?
Aber sie langweilte sich. Sie war gelangweilt und rastlos und verdammt sauer auf sich selbst, weil sie das zuließ. Dieser Gefühlswirrwarr war deprimierend, und deprimiert zu sein war so gar nicht Harmonys Ding. Sie brauchte einfach ein bisschen Spaß. Gerade genug, um den Abend vielleicht ein wenig interessanter zu gestalten. Nichts Großartiges. Einen Drink, vielleicht einen guten Kampf.
Sie fixierte den Eingang der Bar. Mit etwas Glück würde ihr Beschatter sich entschließen, ebenfalls hineinzugehen, um sich zu vergewissern, dass sie da war. Wenn sie ihn nicht anlocken konnte, würde sie auf die Jagd gehen müssen. Aber sie hatte im Moment einfach keine Zeit, auf die Jagd zu gehen.
Nein, Harmony Lancaster, ehemals bekannt als Death, würde sechs volle Monate ein braves Mädchen sein müssen. Und das bedeutete: keine Jagd! Kein unerlaubtes Blutvergießen. Sie verzog das Gesicht, hängte sich ihre Tasche über die Schulter und schlug die Tür des Jeeps zu.
Death, ein braves Mädchen. Wenn das kein Widerspruch in sich war. Schon allein der Gedanke hatte einen bitteren Beigeschmack. Das war einer der Gründe, weshalb sie sich in diese schäbige kleine Bar begab, anstatt Recherchen über ihren nächsten Gegner anzustellen: den Sheriff von Broken Butte.
Nachdem sie die alte saloonartige Schwingtür aufgestoßen hatte, blieb sie am Eingang stehen und musterte die anwesenden Cowboys, die sie anstarrten.
Während Harmony auf einem freien Barhocker Platz nahm, ließ sie den Blick über die Tänzer am anderen Ende des Raumes gleiten.
»Was darf’s sein, Süße?«
Sie wandte sich der dröhnenden Stimme des Barmanns zu.
Der große, kräftige, kahl rasierte Typ mit dem freundlichen Lächeln erinnerte sie an den Barkeeper ihrer Lieblings-Bikerbar in Chicago. Vielleicht war New Mexico doch nicht der am weitesten von der Zivilisation entfernte Ort, an den Jonas
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