Brenda Joyce
leise an Maggies Tür. Es war schon spät, beinahe
Mittag, aber sie war erst vor kurzem aufgewacht. Ihre Hand pochte, und
Francesca fühlte sich elend und erschöpft, als sei sie an der Grippe erkrankt.
Mit Bessies Hilfe hatte sie es geschafft, sich anzuziehen, um nach Maggie sehen
zu können.
Es dauerte
einen kurzen Moment, bis Maggie auf ihr Klopfen reagierte und Francesca ihr
Zimmer betreten konnte.
Maggie lag
im Bett, und von den Kindern war keine Spur zu entdecken. Sie sah bleich und
matt aus, aber sie lächelte Francesca an. »Sie haben mir das Leben gerettet«,
sagte sie.
Francesca
erwiderte ihr Lächeln und setzte sich auf die Bettkante. »Wir haben uns
gegenseitig geholfen«, antwortete sie. Sie erinnerte sich nur ungern an die
Ereignisse des vergangenen Abends. Sie waren einfach zu beängstigend und zu
grausig gewesen, und Francesca hoffte, dass sie irgendwann einmal das Bild
von Lizzie O'Brien, wie sie brennend aus dem Fenster sprang, würde vergessen
können.
»Wie kann
ich Ihnen nur jemals für all das danken, was Sie für mich getan haben?«, fragte
Maggie, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Sie müssen sich nicht immer
wieder bei mir bedanken. Wo sind denn die Kinder?«
Maggie blickte zur Seite. »Ihr
Bruder hat sie zu einem Ausflug mitgenommen. Er ist schrecklich nett.«
»Ja, das
ist er. Es liegt in seiner Natur«, erwiderte Francesca, und das meinte sie ganz
ehrlich. »Wie fühlen Sie sich?«
»Meine Seite
tut weh. Aber das ist gar nix im Vergleich zu dem schrecklichen Gefühl in
meinem Herzen«, gestand sie. Francesca griff mit ihrer Linken nach Maggies
Hand. Die Rechte war immer noch unter einem dicken Verband verborgen und nicht
zu gebrauchen. Allein sie anzuheben verstärkte den Schmerz. »Es tut mir ja so
Leid, dass Sie zwei enge Freundinnen verloren haben und dass sich Lizzie als
Mörderin entpuppt hat.«
Maggie nickte wortlos. »Wird
sie überleben?«, fragte sie dann. »0 ja. Aber es kann noch einige Monate
dauern, bis sie sich so weit erholt hat, dass man sie vor Gericht stellen
kann«, erklärte Francesca.
Maggie seufzte tief. »Wir
hatten ja keine Ahnung. Lizzie war wohl immer ungestümer als wir anderen,
ungestümer, zäher, freier. Aber wir haben sie geliebt, Miss Cahill. Ich war
dreizehn, als ich sie kennen lernte, und zwölf, als ich Kathleen und Mary
traf.«
Francesca wusste nicht, was sie
darauf sagen sollte. »Vielleicht war sie schon immer wahnsinnig?«
»Ich weiß
es nich. Sie war zumindest immer schon 'ne ganz Wilde und scherte sich nich um
das, was die Leute sagten. Sie ging mit Jungs aus und gab damit an. Die
Priester, die versuchten, vernünftig mit ihr zu reden, lachte sie aus. Sie weigerte
sich auch, zur Beichte zu gehen. Manchmal verspottete sie uns, weil wir so
duldsam waren – und so fromm. Denn Kathleen, Mary und ich waren sehr gläubig.
Wir haben uns alle immer ein wenig vor ihr gefürchtet«, gestand sie. »Jetzt
erkenne ich die Zeichen. Ich wusste, dass sie hinter Mike O'Donnell her war,
sogar noch nachdem er Kathleen geheiratet hatte. Aber ich wollte nix davon
wissen, also tat ich so, als würde ich's gar nich bemerken. Und ich wusste,
dass sie versuchte, sich an meinen Joseph ranzumachen. Aber ich hab ihm
vertraut und mir eingeredet, dass sie ihn nich wirklich verführen wollte. Aber
natürlich hat sie genau das getan.«
»Langsam
glaube ich, dass sie in all den Jahren schrecklich eifersüchtig auf Sie drei
gewesen ist, und dieser Neid hat an ihr gefressen und sie schließlich in den
Wahnsinn getrieben. Als vornehme Mrs Lincoln Stuart hatte sie dann die Gelegenheit,
all ihre Wut und ihren Hass auszuleben. Glauben Sie, dass sie Sie insgeheim all
die Jahre gehasst hat?«
»Es scheint tatsächlich so
gewesen zu sein«, flüsterte Maggie. »Vielleicht hatten ihre Versuche, Joseph zu
verführen, und auch ihre Affären immer nur was mit Eifersucht und Hass zu tun.«
Maggie war blasser geworden.
»Wir sollten nicht länger so
düsteren Gedanken nachhängen«, flüsterte Francesca und tätschelte Maggies Hand.
»Beim Prozess wird sicherlich alles herauskommen. Lizzie ist ja nicht gerade
auf den Mund gefallen.«
Maggie nickte. »Wissen Sie, was
mir wirklich Angst macht?«
»Nein, was denn?«
»Als wir jung waren, haben wir
immer irgendwie ihren Mut bewundert. Keine von uns hat sich jemals getraut, die
Beichte zu versäumen. Keine von uns hat je geflucht, geraucht oder getrunken.
Wir sind jungfräulich in die Ehe gegangen. Aber sie hat all das
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