Brenda Joyce
Verlobung?«, fragte sie vorsichtig.
Er sah sie mit großen Augen an. »Francesca, von meiner Seite
besteht nicht der geringste Wunsch, unsere Verlobung zu lösen.«
Da endlich begriff sie, und ihr Herz schlug schneller. »Du
wolltest mit mir durchbrennen, um mich zu heiraten, bevor ... bevor Leigh Anne
stirbt.«
»Ich habe niemals behauptet, ein Ehrenmann zu sein. Ich möchte
dich wirklich heiraten, aber ich habe es dann doch nicht über mich gebracht,
eine solche Täuschung zu begehen, die dich nur unglücklich gemacht hätte.«
Sie stand einen Moment lang regungslos da und starrte ihn an. Er
erwiderte ihren Blick mit erschreckender Offenheit. Mit einem Mal verstand sie
nur zu gut, was in ihm vorgegangen sein musste, wie er mit sich gerungen hatte
– um am Ende das Richtige zu tun.
Und während sie so dastand und nachdachte, da regte sich etwas in
ihrer Brust.
»Ich habe dich noch nie angelogen, aber gestern Abend habe ich es
getan«, sagte er unwirsch.
Francesca war froh und erleichtert zugleich.
»Aber, Calder«, sagte sie, »du bist ein Ehrenmann, siehst du das denn nicht?«
Und sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. Er antwortete in
scharfem Ton: »Ich hätte dich vorgestern Abend beinahe verführt – und das mit
unlauteren Absichten –, und heute wären wir beinahe durchgebrannt, eine weitere
Unredlichkeit. Ich bin nicht Rick, Francesca. Ich bin ganz und gar nicht wie er
und werde es auch niemals sein.«
»Da bin ich anderer Ansicht«, flüsterte sie. »Du bist ein guter
Mensch, Calder Hart.« Und das Gefühl in ihrer Brust wurde immer stärker. Verliebte
sie sich etwa in diesen Mann?, fragte sie sich, und die Vorstellung machte
sie ganz benommen.
»Die Liebe deines Lebens wird schon bald frei sein.« Sein Tonfall
klang bitter. »Ihr zwei könntet also doch noch eure Träume verwirklichen. Und
du hast es weiß Gott verdient.« Sein Gesichtsausdruck war so angespannt, dass
es Francesca angst und bange wurde. »Ich ...« Er verstummte, offenbar unfähig,
weiterzusprechen.
Und Francesca sah voraus, was geschehen
würde.
»Ich möchte, dass du glücklich bist. Ich
wünsche euch beiden alles Gute«, sagte er und wandte sich unvermittelt ab. Sie
starrte einen Moment lang entgeistert auf seinen steifen Rücken. Leigh Anne lag
im Koma und würde bald sterben. Das waren entsetzliche Neuigkeiten. Sie mussten
jetzt beide für Rick da sein. Francesca wusste, was sie zu tun hatte. »Calder,
bitte, komm her.«
Er schien sich noch mehr zu versteifen.
»Bitte.«
Er drehte sich um. Nur ungefähr zwei Meter trennten sie beide, und
doch kam es ihr vor, als läge ein ganzer Ozean zwischen ihnen.
»Es tut mir schrecklich leid
für Leigh Anne und noch mehr für Rick. Aber du bist der Mann, mit dem ich
verlobt bin, und ich beabsichtige nicht, unsere Verlobung zu lösen.« Sein
Gesichtsausdruck begann sich zu verändern. »Was sagst du da?«, fragte er
ungläubig.
Endlich wagte sie es, die Hand auszustrecken
und seine stoppelige Wange zu berühren. »Wir haben eine Vereinbarung getroffen
und sind eine Verpflichtung eingegangen, und ich beabsichtige nicht, dich so
leicht davonkommen zu lassen.« Dabei zitterte Francesca entsetzlich. Sie
verliebte sich gerade in einen Mann, dessen Ruf nicht schlimmer hätte sein können,
aber das lag daran, dass ihn niemand so gut kannte wie sie. Ihr ganzes Leben
lang war sie sich sicher gewesen, dass sie sich eines Tages in einen Mann wie
ihren Vater verlieben würde: solide, angesehen und ein Reformist. Doch nun
gewann sie einen Mann lieb, der als skrupelloser Geschäftsmann und ebenso
skrupelloser Schürzenjäger bekannt war. Sie hatte Angst – nur eine Närrin hätte
keine gehabt –, aber gleichzeitig überlief sie auch ein freudiger Schauer. »Wir
ringen alle mit dem Teufel, Calder.«
Er starrte sie ungläubig an. Schließlich sagte er: »Ich glaube, du
verstehst nicht ganz. Du hast immer nur Rick gewollt. In ein paar Monaten
kannst du ihn heiraten, Francesca. Begreifst du das denn nicht?«
Sie war entgeistert, entsetzt. Ȇber Leigh
Annes Leiche?« Sie hegte immer noch Gefühle für Rick – er hatte all das, was
sie an einem Mann bewunderte, und alles, wovon sie einmal geglaubt hatte, dass
es richtig für sie sei – aber sie könnte ihn unter diesen Umständen niemals
heiraten. Er würde ihr immer am Herzen liegen, gewiss, sogar viel mehr, als
ihr lieb war, aber das machte sie auch froh, denn sie wollte, dass er ein Teil
ihres Lebens blieb. Doch nicht
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