Brenda Joyce
Schwester. Und
Connie hatte recht: Sie hatte nie vorgehabt zu heiraten. Was war nur in sie
gefahren? Ihr Ziel war immer gewesen, Journalistin zu werden, gesellschaftliche
Missstände an die Öffentlichkeit zu bringen, damit diejenigen, die die
erforderlichen Mittel besaßen, dringend nötige Reformen in die Wege leiten und
humanitäre Hilfe leisten konnten. Aus diesem Grund hatte sie auch einen Abschluss
am Barnard College angestrebt, einer berühmten Lehranstalt für Frauen. Aber
seit einer Weile – besser gesagt: seit Januar dieses Jahres – hatte sie ihr
Ziel ein wenig aus den Augen verloren. Sie hatte sich an der Aufklärung eines
schrecklichen Verbrechens beteiligt, sich dabei verliebt, und seitdem war
nichts mehr wie früher und würde es auch niemals wieder sein.
Und zu allem Überfluss war derjenige, in den sie sich verliebt
hatte, nicht Calder Hart gewesen.
Vielleicht hatte Connie doch nicht von ihrer Verlobung erfahren –
was bedeutete, dass auch ihre Mutter noch nichts davon wusste. Es war Julia Van
Wyck Cahills größter Wunsch, ihre Tochter Francesca standesgemäß zu verheiraten
– und das schnellstmöglich, ehe sie sich schon wieder mit der Aufklärung eines
Verbrechens befasste und erneut in den Schlagzeilen landete. Julia war eine
starke Frau, die es gewohnt war, ihren Willen durchzusetzen.
»Ja, die ganze Angelegenheit ist mir in der Tat ein wenig zu heiß
geworden«, räumte Francesca vorsichtig ein.
Connie sah sie an. »Zu heiß? Du klingst schon wie dieser kleine
Strolch, Joel Kennedy, den du so gut leiden kannst.«
»Ich fürchte, sein Verhalten färbt auf mich ab«, murmelte
Francesca, die sich bei ihrer Ermittlungsarbeit inzwischen oft auf den
elfjährigen Knirps verließ. Er kannte sich in den schlimmsten Vierteln der
Stadt bestens aus, und darüber hinaus hatte er ihr sogar schon das Leben
gerettet.
»Oh, Fran. Sie werden beide heute Abend auf dem Ball der Wainscots
sein!« Connies Blick wanderte zu dem Bett hinter Francesca, auf dem ein
Ballkleid in einem kräftigen Weinrot ausgebreitet lag. »Mama sagte mir, dass du
teilnehmen würdest. Und wie ich sehe, trägst du Rot.« Ein wissender Ausdruck
schlich sich in ihre Augen, und sie lächelte.
»Es ist nicht so, wie du denkst!«, rief
Francesca.
Sowohl Rick Bragg, der Polizei-Commissioner, als auch sein
allseits bekannter reicher Halbbruder Calder Hart würden heute Abend auf dem
Ball der Wainscots anwesend sein. Vom Regen in die Traufe, dachte Francesca. O
Gott, was sollte sie nur tun? Hatte sie wirklich die richtige Entscheidung
getroffen? Wie konnte sie einen Mann heiraten, ohne ihn zu lieben – selbst wenn
ein einziger Blick dieses Mannes genügte, um brennende Leidenschaft in ihr zu
entfachen? Und konnten zwei Halbbrüder unterschiedlicher und von einer größeren
Eifersucht aufeinander besessen sein? Wenn sie doch nur nicht so erbitterte
Rivalen wären!
»Dann sag mir doch, wie es sich verhält«, forderte Connie, trat
auf Francesca zu und legte einen Arm um sie. Die beiden Frauen wurden oft für
Zwillinge gehalten, auch wenn Francescas Haar die Farbe von dunklem Honig hatte
und ihr Teint eher pfirsichfarben mit einem Hauch von Gold war. Francesca
jedoch war überzeugt, dass sich die Leute täuschten. Ihre Schwester war eine
Schönheit, sie selbst hingegen konnte man bestenfalls als »ganz hübsch«
bezeichnen. Connie zog in jeder Menschenmenge die Blicke auf sich, während
Francesca fast ihr ganzes Leben lang ein Mauerblümchen und ein Bücherwurm
gewesen war.
Erst in letzter Zeit hatte sich das geändert.
Francesca setzte sich neben Connie und fasste
ihre Hand. »Ich mache mir ja selbst Sorgen um mich«, gestand sie leise.
»O Fran, hat dir der Monat, den du fort warst, denn nicht
geholfen, einen klaren Kopf zu bekommen?«
»Ja ... und nein«, flüsterte Francesca.
»Du bist immer noch hin- und hergerissen zwischen Bragg und Hart?«
Connies Lächeln war einer besorgten Miene gewichen.
Francesca nickte und zog langsam eine Kette aus ihrem Mieder, an
der ein Ring mit einem riesigen, birnenförmigen Diamanten baumelte. Allein der
Stein war ein kleines Vermögen wert.
Connie machte große Augen. »Lieber Himmel.«
»Allerdings.«
Connie blinzelte. »Du bist verlobt?«
»Ich war es ... für kurze Zeit. Heimlich«, fügte sie hinzu. »Ich
habe keine Ahnung, ob ich es immer noch bin – und falls nicht, ist es auch gut
so. Die Ehe ist nun einmal nichts für mich, das wissen wir doch beide.« Aber
ihre Worte klangen
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