Brenda Joyce
Woche
verwüstet. Gestern ist Ihr Bruder in eine ernsthafte Schlägerei geraten. Wie
geht es ihm übrigens?«
»Er hat Schmerzen, bekommt Laudanum und liegt im Bett. Er hat eine
Gehirnerschütterung, zwei gebrochene Rippen, ein gebrochenes Handgelenk und
dazu noch ein blaues Auge.« Francesca gab ihm die Informationen mechanisch, in Gedanken war sie woanders. Sie bekam es mit der
Angst zu tun. Sie wusste, worauf Bragg hinauswollte. »Zuerst Miss Channing,
dann Evans Verletzungen und nun Miss Conway. Bragg, Evan ist nicht der Typ
Mann, der sich schlägt.«
»Aber er hat doch gesagt, dass er in eine Schankstubenschlägerei
verwickelt worden sei, oder etwa nicht?«
»Ich habe noch nicht mit ihm sprechen können, aber ich glaube das
einfach nicht.«
»Ich ebenso wenig, da seine Verletzungen zu stark sind. Ganz so,
als hätte jemand in der Absicht gehandelt, ihn ernsthaft zu verletzen – oder zu
töten.«
Francesca setzte sich nun doch auf das Sofa. Sie wusste, dass Evan
nicht in einen Faustkampf verwickelt gewesen war. So ein Mann war er nicht. Es
musste ihn jemand angegriffen haben. Ihre Angst wuchs. »Das Ganze hängt irgendwie
zusammen, nicht wahr? Und es muss dabei um Evan gehen – denn er ist die
Verbindung zwischen Sarah und Miss Conway.«
»Das lässt sich nicht von der Hand weisen«, gab Bragg zurück.
»Dann wäre es also nur ein Zufall, dass Miss
Conway in einem Atelier umgebracht wurde. Aber wie kann es ein Zufall sein? Der
Mörder hier hat Miss Nevilles Atelier auf genau die gleiche Art und Weise
verwüstet wie Sarahs. Und falls Grace Conway den Angreifer überrascht haben
sollte, dann hatte er ursprünglich gar nicht vorgehabt, sie umzubringen, und
Evan hat mit der ganzen Angelegenheit doch nichts zu tun.«
»Wir müssen uns auf die Tatsachen
konzentrieren und keine voreiligen Schlüsse ziehen«, erklärte Bragg mit fester Stimme.
»Erstens: Dieses Atelier wurde auf genau die gleiche Weise verwüstet wie das
von Miss Channing. Zweitens: Evan ist die Verbindung zwischen Miss Conway und
Sarah Channing.« Er wurde nachdenklicher und fügte hinzu: »Drittens: Miss
Neville ist auch eine Künstlerin.«
»Dann ergibt das alles überhaupt keinen Sinn!«, rief Francesca,
die immer besorgter wurde.
Bragg ergriff ihren Arm. »Hat nicht jeder Fall bisher immer erst
ganz am Ende wirklich einen Sinn ergeben?«, fragte er leise.
Sie lehnte sich gegen ihn und blickte ihm in die Augen. Wenn sie
mit ihm zusammen war, gab ihr das immer Kraft. In diesem Fall, in den irgendwie
ihr Bruder verwickelt zu sein schien, gab es ihr zudem Hoffnung. Und falls es
ihr nicht gelingen würde, ihre Fassung wiederzuerlangen, wäre sie Bragg keine
Hilfe bei der Lösung dieses Falles! »Evan hat unglaublich hohe Spielschulden,
Bragg. Er ist dem Glücksspiel leider sehr zugetan. Diese Schulden waren der
Grund für seine Auseinandersetzung mit unserem Vater, da Papa nicht länger
bereit ist, für all diese Schulden aufzukommen. Im Grunde hat er Evan damit zu
einer Verlobung mit Sarah erpresst.«
»Das erwähnten Sie bereits, Francesca«, sagte
Bragg liebenswürdig. »Er schuldet eine sehr hohe Summe, nicht wahr? Ich frage
mich, ob die sogenannte Schlägerei nicht vielmehr die Tat eines wütenden Gläubigers
gewesen ist.«
Francesca schluckte. »Das habe ich mich auch schon gefragt.« Sie
stieß einen Seufzer aus. »Und ich sehe mich gezwungen, erneut voreilige
Schlüsse zu ziehen. Vielleicht haben wir es wirklich nur mit einem Zufall zu
tun. Was ist, wenn die Schlägerei, in die Evan angeblich geraten ist, gar nicht
mit den Verwüstungen hier und in Sarahs Atelier zusammenhängt? Vielleicht
haben wir es ja mit einem verrückten Mörder zu tun, der hinter den
Künstlerinnen New Yorks her ist!«
»Dann wäre Miss Neville das Ziel gewesen«, sagte Bragg. Sie
starrten einander an, während ihnen dämmerte, was das zu bedeuten hatte. Bragg
fuhr herum. Francesca folgte ihm zur Tür. Der Streifenpolizist stand immer noch
draußen, doch Newman kam gerade prustend die Treppe herauf. »Newman«, fuhr
ihn Bragg an.
Der rundliche Inspector eilte auf ihn zu.
»Sir?«
»Das Opfer ist die Bühnenschauspielerin Grace Conway, eine
Nachbarin von Miss Neville.«
Newmans Augen wurden kugelrund. »Ich habe sie mal im Majestic
Theatre gesehen! Sie hatte die Stimme eines Engels und ein Gesicht wie ...«
»Wir müssen Miss Neville finden«, unterbrach ihn Bragg. »Es
besteht durchaus die Möglichkeit, dass Miss Conway den Mörder überrascht hat
und
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