Brenda Joyce
sich
vorsichtig auf ihn zuzubewegen.
Der Würger lag auf dem Rücken. Er rührte sich
nicht. Doch seine Waffe lag lose in seiner Hand.
»Das ist eine Falle«, keuchte Francesca, und eine schreckliche
Angst überkam sie, dass Bragg noch einmal getroffen werden könnte – und dieses
Mal tödlich.
Gerade als sie die Worte ausgesprochen hatte, versetzte der Würger
Bragg einen Tritt, so dass dieser das Gleichgewicht verlor und zu Boden
stürzte. Dabei fiel ihm der Revolver aus der Hand und blieb außer Reichweite
liegen. Dann richtete der Mörder sich auf die Knie auf und hob die Waffe. Francesca schrie eine Warnung. Bragg
rollte sich zur Seite und versetzte dem Mann nun gleichfalls einen Tritt, der
diesen wieder zu Boden streckte. Es entstand ein Handgemenge. Während die
beiden Männer miteinander rangen, erkannte Francesca, dass der Würger seine
Waffe noch immer in der Hand hielt und Bragg versuchte, sie ihm zu entwinden.
Sie rannte los. Bragg hielt das Handgelenk des Mörders umklammert,
und die Pistole war zur Decke gerichtet, als sich ein Schuss löste. Francesca
zögerte keinen Augenblick. Sie griff sich Braggs Revolver, wobei sie Obacht
gab, nicht von den kämpfenden Männern zu Fall gebracht zu werden. Bragg lag
nun auf dem Rücken und da sein Mantel aufgeschlagen war, konnte sie den
Blutfleck sehen, der sich auf seiner Brust ausbreitete.
Sie drückte dem Mörder energisch den Pistolenlauf gegen den
Hinterkopf.
»Hände hoch!«, schrie sie. »Hände hoch, Farr, oder ich werde Sie
töten!« Sie war zu allem entschlossen.
Der Mann erstarrte.
Aber Bragg hatte die Angelegenheit bereits
selbst in die Hand genommen. Er rammte dem Würger ein Knie in den Unterleib,
und als dieser zusammenbrach, kroch er unter ihm hervor und kniete sich sofort
auf den Rücken des Mannes, wobei er ein Knie in dessen Niere drückte. Er zerrte
die Handgelenke des Mörders nach hinten, zog Handschellen aus seinem Gürtel und
legte sie ihm an. Als das geschehen war, blickte er zu Francesca auf. »Danke.«
Der Schweiß lief ihm über das Gesicht, und das Blut färbte sein weißes Hemd
rot.
Sie hatte schreckliche Angst um
ihn. »Du bist verletzt!«
»Es ist nicht so schlimm, wie
es aussieht.« Im Aufstehen zog er dem Mann den Strumpf vom Kopf und drehte sein
Gesicht auf die Seite.
Francesca
schnappte nach Luft.
Das war gar
nicht Brendan Farr.
Es war
Thomas Neville.
Kapitel 23
SONNTAG, 23. FEBRUAR 1902 – 13:00 UHR
Sie hatte sich
am Ende also doch noch überlisten lassen! Francesca starrte den Mann mit
offenem Mund an und erinnerte sich daran, wie Neville noch vor gar nicht langer
Zeit weinend auf dem Sofa seiner Schwester gesessen und sie sich bemüht hatte,
ihn zu trösten.
»Also doch Sie.« Bragg zog Neville auf die Füße. Er blutete stark
aus einer dritten Wunde in seiner Brust.
Aber Nevilles Augen glühten und der Hass
stand ihm ins Gesicht geschrieben – er schien gar nicht wahrzunehmen, dass er
von drei Schüssen getroffen worden war. »Sie hat ihn geliebt! Und mich hat sie
gehasst! Ich habe gewartet und gewartet, dass sie aus Paris zurückkommt, und
als es dann endlich so weit war, hat sie diesen Hoeltz mitgebracht! Mellie war
ein gutes Mädchen, bis sie ihm begegnet ist, verstehen Sie?« Seine Stimme
hatte einen flehentlichen Tonfall angenommen und Tränen standen ihm in den
Augen.
Francesca drehte sich der Magen um. Aber
Neville war offenbar in redseliger Stimmung und sie ergriff die Gelegenheit.
»Da ist nur eine Sache, die ich nicht ganz verstehe. Warum haben Sie Sarah
Channings Atelier verwüstet?«
Seine Augen verdüsterten sich. Er begann zu schwanken, doch Bragg
hielt ihn aufrecht. »Mellie hatte mir ein gemeinsames Abendessen versprochen, ist aber
einfach nicht gekommen. Ich ging ins Royal und als ich dort Ihren Bruder sah,
erinnerte ich mich daran, wie sehr er seine Verlobte verachtete und dass sie
auch Künstlerin war. Im Laufe des Abends begann mich die Vorstellung zu
faszinieren, Miss Channing kennenzulernen. Ihr gegenüberzutreten und sie für
all das, was sie Ihrem Bruder angetan hatte, zu bestrafen. Und je länger ich
darüber nachdachte, desto wütender wurde ich. Es war nicht meine Absicht
gewesen, ihr Atelier zu verwüsten, Miss Cahill. Aber als ich ein offenes
Fenster entdeckte, dort einstieg und dann all ihre Porträts sah, ihre Porträts
von Huren, da erschien es mir richtig. Sie war offenbar selbst eine
Hure! Mellie war ein gutes Mädchen, bis sie diesem Hoeltz begegnete! Sie war
eine
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