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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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Leute lediglich ein Vorwand, um –«
    »Überlaß das Scheinen gütigst der Sonne«, hatte ihn Otto spöttisch unterbrochen, »und die Sorge um meine Sicherheit denen, die damit beauftragt sind. Kümmere dich um das, was wir beredet haben, so bleibt genug zu tun.«
    Entschlossen, diesen Rat zu befolgen, war Gero heilfroh gewesen, als er endlich abreisen durfte. Zwar entsprach es der Wahrheit, daß er mit Neid gerechnet hatte, die Einmütigkeit aber, mit der er brüskiert worden war, hatte ihn ziemlich bestürzt. Hinzu kam, daß der König seine Hilflosigkeit offenbar durchschaut hatte und nun sicherlich von ihm enttäuscht war; die Gereiztheit, mit der ihm Otto beim Abschiednehmen begegnet war, ließ sich schwerlich anders erklären.
    Eine Meile vor Unseburg, er meinte, bereits die Bode zu riechen, wurde er der Selbstanklagen jäh überdrüssig. Er befand sich auf der Erde seines Amtsbezirkes, jedes Haus und jeder Weg in dieser Gegend waren ihm vertraut. Hier war er Graf Gero, jemand, den man respektierte und auf den man hörte. Schluß mit den trüben Gedanken, befahl er sich, und tatsächlich wurde ihm danach leichter zumute. Ohnehin war es töricht, sich die Mißachtung der Großen derart zu Herzen zu nehmen, denn genau betrachtet galt sie ja gar nicht ihm, sondern jenem unbekannten Emporkömmling, der er in ihren Augen nun einmal war. Es lag jetzt bei ihm zu beweisen, daß der König die richtige Wahl getroffen hatte. Wenn er in kürzester Zeit erreichte, wofür ihm dieser wenigstens ein Jahrzehnt bewilligt hatte, würde ihn niemand mehr wie einen Aussätzigen behandeln können.
    Als er in den Hof ritt, bemerkte er, daß die Gebäude mit Blumengirlanden geschmückt waren. Er stutzte, dann fiel ihm ein, daß in zwei Tagen Michaelis war. In diesem Moment öffneten sich die Tore der Speicher, und das Gesinde strömte heraus. Im Nu hatte es ihn und sein Gefolge umringt, Hochrufe ertönten, und während Knaben die Pferde wegführten, reichten Mägde Becher mit Most.
    Verblüfft ließ Gero den Jubel über sich ergehen, gestand sich aber bald ein, daß er Behagen empfand. Gerade fragte er sich, wer die ungewöhnliche Begrüßung veranlaßt haben mochte, da entdeckte er inmitten der Menge seine Gattin Godila. Seine Genugtuung verwandelte sich augenblicklich in Zorn. Er hatte dieses abgehärmte und demütige Geschöpf nie geliebt und die Ehe seinerzeit nur auf Verlangen des Vaters geschlossen. Kurz nach dessen Tod hatte er die gemeinsame Kammer geräumt, seither lebten sie nicht mehr wie Mann und Frau. Zuweilen vergingen Wochen, in denen er kein Wort mit ihr sprach, ein Zustand, unter dem sie, wie er wußte, unvermindert litt. Deshalb glaubte Gero jetzt, daß der feierliche Empfang lediglich einer ihrer vielen Versuche war, ihn durch verdoppelte Anhänglichkeit erneut für sich zu gewinnen.
    Nachdem er den Leuten bedeutet hatte, sich wieder an die Arbeit zu begeben, winkte er Godila herbei. »Was soll der Unfug!« herrschte er sie an. »Willst du mich lächerlich machen?«
    Das unschöne Gesicht der Frau rötete sich bis zu den Haarwurzeln, offenbar hatte sie seinen Gedanken erraten. »Ich war es nicht, mein Gemahl«, beteuerte sie. »Konrad ordnete es an.«
    »Aha«, sagte Gero und ließ sie einfach stehen. Dann rief er Konrad zu sich. »Was hast du dir denn dabei gedacht?« fragte er ihn, in einem Ton, auf den er, je nachdem, wie die Antwort des Burschen ausfallen würde, sowohl Entrüstung als auch Zustimmung folgen lassen konnte. »Empfängst mich, als wäre ich der König.«
    Konrad verzog keine Miene. »Graf Siegfried«, entgegnete er, »wurde immer so empfangen, wenn er von einer längeren Reise heimkehrte. Einer seiner Männer erzählte mir das.«
    »Was redest du da!« Gero runzelte die Stirn. »Graf Siegfried vertrat den König, wenn dieser außerhalb Sachsens weilte. Ist dir das entfallen? Und auch sonst kann ich mich nicht mit ihm messen. Zwar habe ich nun sein Amt inne, doch das ist vorläufig –« Er stockte und fuhr fort: »Doch das ist bereits alles.«
    »Mag sein, Herr Graf«, versetzte Konrad gelassen. »Woran aber werden das Gesinde und die Bauern merken, daß du, unser Gebieter, erhöht worden bist? Das Wort Legat sagt ihnen vermutlich wenig.«
    Gero zögerte. »Wenn du es von dieser Seite betrachtest, meinetwegen«, pflichtete er ihm schließlich widerstrebend bei. Er kniff die Augen zusammen, sah zu Boden, und nach einer Pause fragte er leise: »Haben sich die Leute eigentlich nicht

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