Brennaburg
Mönche. »Entferne dich jetzt, ich lasse dich rufen. Oder nein«, berichtigt er sich hastig, »komme besser von selbst. Aber erst, wenn die Sonne über dem Tor steht. Nicht früher, hörst du?«
Der andere verneigt sich abermals wortlos und geht.
Der König legt einen Arm um die Schultern des Knaben, schiebt diesen ins Zimmer und schließt die Tür. Sowie er mit ihm allein ist, beleben sich seine abgespannten Züge. Weich, beinahe scheu blickt er auf seinen Gast hinunter, der inzwischen Platz genommen hat, zieht einen Stuhl heran und setzt sich dem Jungen gegenüber. Greift nach dessen Händen, betrachtet sie stirnrunzelnd und läßt sie auf einmal wieder los, so, als habe er sich an ihnen verbrannt.
»Wie geht es dir, Wilhelm?« fragt er nach einer kurzen Pause.
Der Knabe lächelt ebenfalls, wobei sich der gewölbte Mund in dem hübschen Gesicht wie eine Knospe öffnet. »Gut, Vater«, antwortet er anscheinend belustigt. »Mir geht es immer gut, das weißt du doch.«
Er streicht sich das honigfarbene Haar aus der Stirn.
»Warum hast du mich denn schon heute holen lassen?«
»Freust du dich nicht?«
»Doch, natürlich. Sind Editha und Liudolf noch nicht da?«
Der König räuspert sich. »Sie werden übermorgen eintreffen.«
»Das dachte ich mir«, entgegnet der Junge sachlich. »Dabei hat Liudolf nichts dagegen, wenn ich hier bin. Wir sind Freunde. Nur die Engländerin will nicht, daß du mich so oft siehst.«
»Was erlaubst du dir!« weist ihn der König zurecht. »Die Engländerin! Du sprichst von meiner Gemahlin.«
»Aber die meisten nennen sie so.«
»Doch nicht in meiner Gegenwart.«
Der Knabe überlegt. »Aha«, sagt er beeindruckt und fügt nach einer Weile hinzu: »Du mußt auf sie Rücksicht nehmen, nicht wahr?«
Der König beugt sich vor und streicht sich mit einer raschen Bewegung über den Bart. »Wer sagt das?« erkundigt er sich tonlos.
»Der Abt.«
»Soso … Nun ja … Weißt du, Editha kann dich sehr gut leiden, trotzdem … Aber das verstehst du noch nicht. Ich erkläre es dir vielleicht später einmal.«
Der Junge strafft sich. »Vielleicht?«
»Ganz bestimmt.«
»Wann!«
»Wenn du ein bißchen äl –«
»Nein! Sag bitte genau, in wieviel Jahren.«
»In sechs«, seufzt der König.
»In sechs erst?« ruft der Knabe und reißt empört die Augen auf. »So lange noch! Da bin ich ja«, er legt die Stirn in Falten und beginnt, mit den Fingern zu rechnen, »da bin ich ja schon dreizehn! Dreizehn«, wiederholt er bereits ruhiger, wohl durch die Aussicht getröstet, daß er einmal dieses respektable Alter erreichen wird. »Vergiß es aber nicht. Ich werde dich daran erinnern.«
»Ja, tu das.«
»Hm«, macht das Kind und scheint in Gedanken längst wieder mit etwas anderem beschäftigt. Plötzlich hellt sich seine Miene auf, es lächelt schelmisch und fragt: »Du hast es nicht leicht, stimmt's?«
»Wahrhaftig nicht«, bestätigt der König, sichtlich erlöst, daß sein Gast das Thema gewechselt hat. »Von wem hast du denn das nun schon wieder aufgeschnappt?«
Der Junge bricht in ein triumphierendes Gelächter aus. »Auch vom Abt. Ich wußte, daß du mich das fragen würdest. Du merkst immer sofort, wenn ich nachspreche, was er gesagt hat.«
Er hält inne und fährt fort: »Eigentlich ist es ungerecht, daß ich nicht König werden darf. Nur, weil ich keine Mutter habe.«
Der König macht Anstalten, sich zu erheben, bleibt dann jedoch sitzen. »Was redest du da«, sagt er mühsam. »Ich habe es dir schon oft genug erklärt. Du hattest eine Mutter, aber sie ist leider gestorben. Daraufhin heiratete ich Editha, und selbstverständlich muß unser gemeinsamer Sohn –«
»Ja, richtig«, unterbricht ihn der Knabe abwesend. »War sie auch Engländerin?«
»Nein. Doch auch das habe ich dir –«
»Wo liegt England überhaupt?«
»Dort.« Der König weist zum Fenster hinaus, und der Junge ist zufrieden.
»Wäre sie bloß nicht gestorben«, sagt er mit gekrauster Nase. Gleich darauf zuckt er zusammen und stößt hervor: »Jetzt fällt mir etwas ein. Wenn Editha stirbt, kann Liudolf ja auch nicht König werden. Weiß er das?«
»Bitte, sprich nicht solchen Unsinn.«
»Nein, sag!«
»Editha wird nicht sterben. Und nun schweig endlich.«
»Du mußt es Liudolf aber unbedingt sagen«, beharrt der Knabe. »Er ist sonst nicht darauf gefaßt.«
»Ja, zum Teufel«, sagt der König lachend und zieht ihn an sich. Der Junge versinkt in der Umarmung. Plötzlich gibt er einen
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