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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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ihm zu gehorchen, unter Murren zwar (das gehörte dazu), aber ohne sein Durchsetzungsvermögen auf die Probe zu stellen. Dabei schrie und drohte er nicht wie die anderen Gefolgsmänner. Anweisungen erteilte er in der Regel lächelnd, so, als sei er der Ansicht, daß er den Leuten mit zusätzlicher Arbeit ein ausgefallenes Vergnügen zuschanzte – was diese ihm seltsamerweise nicht verübelten.
    Gero wußte, was er an ihm besaß, hütete sich jedoch, ihn das merken zu lassen. Er behandelte ihn sogar strenger als die anderen. Ein Dienstmann hatte seinen Herrn zu fürchten, erst dann durfte dieser seiner Treue sicher sein. Konrad indes, obschon niemals aufsässig, erweckte häufig den Eindruck, als ob er hauptsächlich deshalb gehorchte, weil er die empfangenen Anordnungen billigte und Freude daran hatte, sie auszuführen. Darum argwöhnte Gero mitunter, daß der Achtzehnjährige ein im Grunde seines Wesens eigensinniger Bursche sei, den bislang lediglich der Zufall davor bewahrt hatte, mit ihm zusammenzustoßen.
    »Ich ließ dich rufen«, sagte er, als Konrad zur Stelle war, »weil ich etwas mit dir bereden möchte. Nimm Platz und höre aufmerksam zu.«
    »Wie du richtig erkannt hast«, sprach er nach einem Räuspern weiter, »zwingt mich meine neue Würde, einige Gepflogenheiten zu ändern. Mein Leben gehört fortan allein dem König, wodurch es, an sich von geringem Wert, eine gewisse Bedeutung erhält. Deshalb wird es deinen Kameraden nur noch ausnahmsweise gestattet sein, sich direkt an mich zu wenden. Umgekehrt werde ich meine Befehle stets über einen von euch erteilen. Bei meinem Erscheinen hat man sich zu erheben und zu verneigen – nicht zu nicken, sondern sich zu verbeugen.«
    Gero schwieg und blickte Konrad fest in die Augen. »Das ist aber noch nicht alles. Wie jeder sehen kann, habe ich nicht gerade die Gestalt eines Riesen. Zwar ließ mich mein Körper im Gefecht nie im Stich, Wundertaten vollbrachte er freilich auch nicht. Ich lebe nun schon siebenunddreißig Jahre mit diesem Mangel und werde es weiterhin tun. Da mich die Burgleute jedoch unweigerlich mit Graf Siegfried vergleichen werden, bedarf meine Autorität einer zusätzlichen Stütze. Eine wichtige Aufgabe des Gefolges wird es daher sein, mich wie bisher im Kampf zu verteidigen, darüber hinaus aber, mir solche Gegner zuzutreiben, die ich ohne zu großes Risiko besiegen kann. Überflüssig zu betonen, daß hierbei der Anschein vermieden werden muß, ich wüßte davon oder hätte es gar gewünscht. Aus all diesen Gründen benötige ich jemanden, der das Gefolge statt meiner leitet. Hast du mich verstanden?«
    »Ja, Herr Graf«, antwortete Konrad mit belegter Stimme.
    »Sehr gut. So hast du natürlich begriffen, daß meine Wahl auf dich gefallen ist. Mit dem Gesinde und den Belangen des Hofes hast du nichts mehr zu schaffen. Du versammelst die Männer, wenn wir ausreiten, hältst mit ihnen Waffenübungen ab, sorgst unter ihnen für Zucht und veranlaßt das, worüber ich gerade sprach. Traust du dir das zu?«
    »Ich denke schon, Herr Graf«, flüsterte Konrad. Er war blaß geworden, senkte die Augen und preßte die blutleeren Lappen zusammen. Seine Rechte zuckte hoch, beschrieb eine hilflose Bewegung, fiel wieder herab.
    Der Graf betrachtete ihn versonnen. Erst kürzlich, erinnerte er sich, war er, Gero, genauso erbleicht. Und ein Jahr zuvor in Aachen der König …
    »Da ist noch etwas«, fuhr er fort, nachdem er sich an Konrads Fassungslosigkeit satt gesehen hatte. »Als Graf obliegt es mir vor allem, das Recht zu schützen, als Legat, die Barbaren zu schlagen. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Niemand weiß, was die Zukunft bringen wird, doch eines steht außer Zweifel: Ich werde nicht umhin können, Mittel anzuwenden, deren ich mich Christenmenschen gegenüber niemals bedienen würde.«
    Er machte ein Pause und hob die Hand.
    »Ich sage das nicht von ungefähr. Du besitzt die seltene Gabe, die Leute mit deiner bloßen Gegenwart zu erfreuen und ihr Wollen zuweilen bereits durch ein Lächeln zu beeinflussen. Ich habe aus diesem Talent Vorteil gezogen und dich häufig von Aufträgen verschont, von denen ich meinte, sie könnten deiner Beliebtheit abträglich sein – häufiger, als du es vielleicht bemerkt hast. Hoffe nicht, daß dies so bleibt. Deshalb frage ich dich: Kann ich unter allen Umständen auf deinen Eifer zählen, selbst dann, wenn dir einer meiner Befehle zuwider sein sollte? Überlege dir die Antwort gut, und falls du deiner

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