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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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vergnügten Schrei von sich, krallt sich in das Haar des Königs und reißt diesen vom Stuhl. Beide wälzen sich auf dem Fußboden herum, so lange, bis das Kind schließlich obenauf ist und den ›Hund von einem Barbaren‹ zur Kapitulation auffordert.
    »Großer Gott«, stöhnt der König, nachdem sie wieder Platz genommen haben, »bist du aber stark geworden.«
    »Wirklich?« Der Knabe strahlt. »Ist Liudolf nicht so stark?«
    »Ja, doch. Genauso. Und jetzt laß hören, was du inzwischen gelernt hast. Ich bin schon sehr gespannt.«
    »Sofort.« Der Knabe zögert. »Gehen wir danach auf Beizjagd?«
    »Mit einem künftigen Bischof? Wo denkst du hin!«
    »Ich bin doch noch kein Bischof. Und Liudolf hast du bereits dreimal mitgenommen.« Das Kind greift nach der Hand des Königs und streichelt sie. »Bitte, Vater.«
    Dieser schlägt die Augen nieder. »Heute ist es nicht möglich«, sagt er gequält. »Das nächste Mal, wenn du länger bleiben kannst. Und nun fange an. Wie wäre es mit einem Lied?«
    »Ein Lied? Meinetwegen.«
    Die Enttäuschung im Gesicht des Jungen schwindet. »Ich habe tatsächlich ein paar neue gelernt.«
    Er setzt sich kerzengerade, holt tief Luft und spitzt den Mund. Singt. Der König lauscht, aufmerksam und ein wenig traurig. Zuweilen summt er mit. Dann und wann schaut er nach rechts, wo ein gelber Sonnenstreifen langsam, aber unaufhaltsam die Wand hinaufkriecht.

5
    A LS G RAF G ERO Ende September vom Hoftag in Magdeburg heimkehrte, war er bei weitem nicht so zufrieden, wie er ursprünglich erwartet hatte. Bereits die abendlichen Gelage hatten ihn über alle Maßen angestrengt. Wurden sie ihm zuviel, ging er gewöhnlich schlafen, woran in den Jahren zuvor selten jemand Anstoß genommen hatte. Diesmal hingegen hatte er immer bis zum Schluß ausharren müssen und außerdem eine Erfahrung gemacht, die ihm die Freude an seiner neuen Würde fast vergällt hätte.
    Angefangen hatte es in der Nacht nach seiner Ernennung zum Legaten. Wie um diese Stunde üblich, waren die meisten an der Tafel längst betrunken. Während die einen würfelten, Lieder grölten oder, die Ellbogen auf die Tischplatte gestemmt, paarweise ihre Kräfte maßen, beratschlagten andere, ob sie in ein Dorf ziehen und die Bauern erschrecken sollten.
    Im hinteren Teil der Halle lagen fünf bezechte Gaukler auf den Dielen und schliefen. Alle hatten blutige Gesichter. Von Zeit zu Zeit näherte sich ihnen irgendein mißgestimmter Graf und schlug fluchend auf die Menschenbündel ein. Dann schnellten diese hoch und vollführten stöhnend einige Kunststückchen, so lange, bis sie ein Hagel abgenagter Knochen zwang, die Vorstellung wieder zu beenden. Übermannte sie danach der Schlaf, begann eine Weile später das Ganze von vorn … Es roch nach gebratenem Fett, nach Schweiß, brennendem Wachs und Erbrochenem. Zahllose Insekten umschwirrten die Fackeln, Falter torkelten durch den Raum, und über den mit Speiseresten übersäten Boden huschten Mäuse.
    Todmüde und sich zugute haltend, daß er länger als sonst geblieben war, wollte sich Gero gerade davonstehlen. Da berührte ihn Werner an der Schulter und flüsterte, daß ihn der König vor dem Ausgang zu sprechen wünsche.
    Otto stand neben der Tür. Als er Gero gewahr wurde, lief er wortlos voraus, und der Graf folgte ihm. Plötzlich blieb Otto stehen. »Was ist, Legat, langweilen wir uns?« fragte er, ohne sich umzudrehen.
    »Ein bißchen, Herr König«, gab Gero verdutzt zu.
    »Man sieht es dir an.«
    Otto lachte kurz und fuhr unverhofft grob fort: »Sitzt auf deinem Stuhl und gähnst wie ein altes Weib. Ein Bild des Jammers, wahrhaftig! Handelt es sich etwa wieder um eine Laune? Falls ja, so wisse, daß es damit nun endgültig vorbei ist. Du gehörst seit heute zu den Großen, also zeige auch, daß du dir dessen bewußt bist. Sie glauben nämlich sonst, ihre Gesellschaft schüchtere dich ein. Prahle, brülle, streite, benimm dich meinethalben so tierisch wie sie alle zusammen, aber sitze nicht ständig herum wie ein Häufchen Unglück. Hast du mich verstanden?«
    »Vollkommen, Herr König«, hatte der Graf geantwortet und sich nach Kräften bemüht, seinen Fehler wiedergutzumachen. Der Erfolg war indes ausgeblieben, und sein erster Versuch hatte sogar mit einer peinlichen Niederlage geendet.
    Als er in den Saal zurückkam, fiel sein Blick auf den Frankenherzog Eberhard, der schweigend und mit angewiderter Miene vor sich hinstierte. Anscheinend geht es ihm wie mir, also fangen wir am

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