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Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
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ebenso einträglichen wie einflußlosen Ämter, mit denen man Männer zu betrauen pflegt, die ohne Schuld an einer höheren Aufgabe gescheitert sind und sich dabei die Feindschaft der Mächtigen zugezogen haben: in das des Quartiermeisters etwa, wenn es hochkommt. Doch das, verzeih, ist nichts für mich. Und weil es sich so verhält, muß ich meinen eigenen Weg gehen. Mißlingt mir, was mir vor wenigen Augenblicken in den Sinn kam, wirst du den Henker nicht zu bemühen brauchen. Schaffe ich es freilich, wird es für dich schwer werden, mich angemessen zu belohnen …
    Gero bemerkte einen Harztropfen an der Fensterklappe, er zerdrückte ihn, führte den Finger an die Nase und atmete den süßen Duft ein. Hierauf beugte er sich vor und rief die beiden Jungen zu sich. »Schaut nach, wo Konrad ist. Ich will ihn sofort sprechen.«
    Wenn Konrad auf dem Hof erschien, begannen die Mägde zu flüstern. Auch die Knechte unterbrachen ihre Beschäftigung, und bald versuchten alle, ihn zu sich zu locken. Der große blonde Bursche zierte sich dann nicht lange. Er stemmte die Hände in die Hüften, wippte einige Male auf den Fußballen und trat schmunzelnd näher. Zu jedem sagte er ein paar Worte, harmlose Schmeicheleien meist, die er im Vorübergehen ausstreute: Eila sei seit gestern deutlich schöner geworden, Emnildes Zähne glänzten so weiß, wie sie das bloß mache … Und das Gesinde, an dergleichen nicht gewöhnt, lauschte ihnen wie Offenbarungen.
    Fast alle kannten ihn noch als einen schwächlichen Knaben. Mehr als vier Jahre war es nun her, da hatte ihn Gero während der Jagd nach versprengten Ungarn inmitten der Trümmer eines niedergebrannten Gutes gefunden. Gewiß hätte er den halbverhungerten Jungen seinem Schicksal überlassen – Thüringen war schließlich voll von Flüchtlingen gewesen –, als dieser plötzlich eine Axt an sich riß und einen Gefangenen verwundete. Nur mit Mühe konnte man ihn daran hindern, auch auf die anderen loszugehen.
    An sich war eine Tat wie diese nicht außergewöhnlich. Die Bauern pflegten mit überwältigten Ungarn kurzen Prozeß zu machen oder sie langsam zu Tode zu quälen, woran sich häufig die ganze Familie beteiligte. Selbst diejenigen, die einen Knecht dringend nötig hatten, vermochten ihre Wut oft nicht zu zügeln. Hinter der Raserei des Kindes indes steckte, so empfanden es jedenfalls die Männer, mehr als das Verlangen, sich für ausgestandene Angst an Wehrlosen zu rächen; es hatte den Anschein, daß der Knabe sogar vor ungebundenen Feinden nicht zurückgeschreckt wäre. Davon beeindruckt und weil Konrad angab, daß seine Angehörigen umgekommen seien, befahl der Graf, ihn mitzunehmen und bis auf weiteres unter das Gesinde einzureihen.
    Zwei Jahre lang fiel er kaum auf, er redete wenig und schloß sich niemandem an. Nur wenn man ihm gegenüber tätlich wurde, neigte er, ansonsten sanft und willig, zu jähzornigen Ausbrüchen. Einmal griff er einen Knecht, der ein Holzscheit nach ihm geschleudert hatte, mit dem Beil an. Dafür hätte er eigentlich ausgepeitscht werden müssen, denn das Hofrecht untersagte es streng, bei Streitigkeiten Waffen oder gefährliches Gerät zu benutzen. Gero aber, der den Vorfall beobachtet hatte, bestrafte ihn lediglich mit Essensentzug und wies an, ihn nie wieder zu reizen. Von diesem Tag an ließ man Konrad in Ruhe.
    Um sein sechzehntes Lebensjahr herum begann er auf einmal zu wachsen und verwandelte sich schnell in einen stattlichen jungen Mann. Auch seine Zurückhaltung fiel von ihm ab, zum Vorschein kam eine Frohnatur, die niemand bei ihm vermutet hatte. Da er überdies gewissenhaft und anstellig war, erregte er bald ein weiteres Mal die Aufmerksamkeit des Grafen, der ihn schließlich in sein Gefolge aufnahm.
    Vieles an Konrad war erstaunlich. Zog man sein Alter in Betracht, zu allererst das Äußere: die breiten Schultern, der starke Bartwuchs und die tiefe Stimme. Wer ihn sah, mochte kaum glauben, daß er noch vor kurzem ein kleiner Junge gewesen war. Obwohl er gern scherzte, wurde er selbst nie zur Zielscheibe von Spötteleien. Auch das war sonderbar, verabscheuten die Knechte und Mägde doch jeden, der, unfrei wie sie, eine bevorzugte Stellung erlangt hatte. Machte der Betreffende den Fehler, sich für seinen Aufstieg durch übertriebene Nachsicht oder leutseliges Benehmen gleichsam entschuldigen zu wollen, wurde er von ihnen unbarmherzig veralbert. In Konrad dagegen waren sie geradezu vernarrt. Befahl er etwas, beeilten sie sich,

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