Brennaburg
Palisade herausreißen und eine höhere errichten sowie den Graben verbreitern und vertiefen; dies alles noch in diesem Sommer. Und du wirst die Arbeiten beaufsichtigen. Nun, was meinst du dazu?«
»Das ist wundervoll, Herr Graf«, erwiderte Konrad; und tatsächlich fühlte er, wie die Niedergeschlagenheit von ihm zu weichen begann.
In diesem Moment begegneten seine Augen denen des blonden Gefolgsmannes, der Prebor vor die Füße gespien hatte. Er saß, an sein Gepäck gelehnt, fünf Schritte von ihnen entfernt und biß in ein Stück Brot. Obwohl er hungrig sein mußte, kaute er so langsam, wie nur jemand kaut, der unsagbar müde ist.
Glücklich über die Wendung, die das Gespräch genommen hatte, lächelte Konrad dem Sorben zu. Dieser erstarrte, spannte die Wangenmuskeln und schob ruckartig den Unterkiefer vor, so daß die dunklen, vom Staub schmutzigen Tropfen, die an seinem Kinn hingen, herabfielen. Und quälend langsam, wie in einem Alptraum, verzog sich das bartlose junge Gesicht, dem die Erschöpfung gerade noch einen fast kindlichen Ausdruck verliehen hatte, zu einer Maske abgrundtiefen Hasses.
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B ERNHARD , K NECHT DER Knechte Gottes, durch Christi Gnaden Bischof, dem verehrungswürdigen und liebenswerten Bruder, dem gottesfürchtigen Priester Pilgrim, der zur Erleuchtung des Volkes der Schweden von dieser apostolischen Kirche Gottes ausgesandt worden ist. Ewiges Heil in Christus.
Deinen ersehnten Brief, teurer Gefährte meiner Jugendjahre, habe ich ebenso wie Deine Geschenke dankbar und in Freuden empfangen. Möge Dich der höchste Herrscher in der himmlischen Versammlung der Engel für Deinen Edelsinn belohnen! Um auch Dir meine Liebe zu zeigen, schicke ich Dir durch den Überbringer dieses Schreibens etwas Weihrauch, einen mit weißen Punkten bestickten Leibmantel sowie eine Decke, nicht aus reiner Seide, sondern aus einem mit Ziegenhaaren gemischten Gewebe, mit Zotten versehen zum Abtrocknen deiner Füße.
In Deinem Brief, geliebter Bruder und Mitpriester, begehrst Du zu erfahren, was sich seit meinem letzten Bericht an Dich in unserem Vaterland zugetragen hat, von welchen Gefahren es heimgesucht oder durch die göttliche Gnade bewahrt wurde. Gern komme ich diesem Verlangen nach, denn wie zu lesen ist: Selig der Mann, der einen Freund hat, mit dem er sprechen kann wie mit sich selbst. Und obwohl wir durch einen weiten Zwischenraum von Ländern, durch die Unendlichkeit des Meeres und die Ungleichartigkeit des Himmelsstrichs getrennt sind, dünkt mich doch, daß wir unter ähnlichen Plagen und Widrigkeiten zu leiden haben. Was Wunder: Es ist ja dasselbe Wirken des Satans hier wie dort.
Überblicke ich die verflossenen Monate, so mengen sich Freude und Trauer, Genugtuung und Sorge in mir so innig miteinander, daß ich nicht weiß, ob ich für die Zukunft hoffen oder bangen soll; aber genug, ich will der Reihe nach erzählen.
Der Reihe nach, sage ich, und da stocke ich bereits. Denn womit anfangen? Was ist die Ursache jener schrecklichen Ereignisse, von denen ich Dir Mitteilung zu machen nun anhebe? Und bin ich armseliger Stammler wirklich berufen, sie zu ergründen und Dir zutreffend zu schildern? Ach, ich fürchte, ich bin es nicht! Und trotzdem will ich es versuchen, dabei immer eingedenk eines Wortes des hl. Hieronymus, daß es besser ist, ungeschickt die Wahrheit zu sagen als beredt Falsches voranzubringen.
Dem Scheine nach (und damit will ich ohne neuerlichen Aufenthalt mit meinem Bericht fortfahren) begann alles mit dem Tod zweier vornehmer Männer sowie der übermütigen Tat eines weiteren. Bei den zwei Männern, welche im Sommer des vergangenen Jahres starben, handelt es sich, ich schrieb es Dir bereits, um den Bayernherzog Arnulf und um unseren Grafen Siegfried. Und auch dies schrieb ich Dir: daß nämlich der König zum Nachfolger Siegfrieds im Amt des Legaten nicht, wie jedermann erwartet hatte, seinen Halbbruder Thankmar bestimmte, sondern den Grafen Gero, wodurch Thankmar in große Betrübnis geriet. Jener Dritte aber ist der Herzog Eberhard von Franken, der einen seiner sächsischen Vasallen unmäßig gezüchtigt hatte und dafür Buße tun mußte. Seither lag der stolze Mann, ob der zweifellos verdienten Strafe schwer gekränkt, mit unserem König im Streit. Doch obzwar Eberhard mancherlei Greuel verübte und sich zudem weigerte, mit seinen Gefährten abermals vor Gericht zu erscheinen, schob der König ein bewaffnetes Einschreiten gegen die Friedensstörer immer wieder hinaus, was
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