Brennaburg
nachdem ihm diese zugesichert ward, unterstellte er sich samt seiner Habe ohne weitere Bedingung der königlichen Gewalt. Damit aber sein Verbrechen (ich nenne es so, andere ziehen es vor, von einer Verfehlung zu sprechen) nicht gänzlich ungesühnt bliebe, wurde er zur Verbannung in unsere Stadt Hildesheim verurteilt, welcher Aufenthalt, wie es heißt, nicht von Ewigkeit sein solle. Auch hört man nichts davon, daß daran gedacht sei, den Franken einen neuen Herzog zu geben, woraus Du ermessen kannst, was es mit dieser Strafe auf sich hat.
Der junge Heinrich übrigens, obzwar unversehrt zurückgekehrt, streute sofort aus, wie sehr er es dem König verarge, daß dieser ihn nicht unverzüglich befreit habe. Zugleich legte er sich für seinen Entführer auf eine Weise ins Zeug, die den Eindruck hervorrief, er sei nicht Eberhards Gefangener, sondern dessen Gast gewesen, weswegen man sich unwillkürlich fragt, warum er dem Bruder eigentlich grollt. Das alles ist recht seltsam; trotzdem versucht man glauben zu machen, daß die Brüder, deren Verhältnis schon seit längerem kein ungetrübtes ist, nun unwiderruflich versöhnt seien, eine Auffassung, die ich aus mehr als einem Grund nicht zu teilen vermag.
Beiden, dem heißblütigen, auf seine königliche Abkunft unmäßig stolzen Jüngling wie dem gedemütigten, aber nicht seiner Macht beraubten Frankenherzog, traue ich nicht, und viel weniger traue ich einem Dritten, dessen Namen in diesem Brief bislang noch nicht gefallen ist. Ich spreche vom lothringischen Herzog Giselbert, einem überaus verschlagenen und wankelmütigen Mann, der, so wird gemunkelt, neuerdings freundschaftliche Beziehungen zum westfränkischen Ludwig pflegt. Um ihn zu bewegen, klar zu sagen, mit wem er es halte, schickte der König, während er selbst gegen die Empörer zog, mehrmals Gesandte zu ihm. Auch ich wurde dieser Ehre teilhaftig und kann deshalb aus eigener Anschauung bezeugen, daß alle Bemühungen, Giselbert zu einem Bündnis mit dem König zu veranlassen, vergeblich waren. Anfangs schmeichelte er mir, lud mich an seine Tafel und überschüttete mich mit Geschenken; als ich jedoch nicht abließ, ihn an meinen Auftrag zu erinnern, erging er sich bald in Beleidigungen und drohte sogar, mich nicht mehr zu beköstigen. Erst nachdem ich ihm zu bedenken gab, daß man ihn, wenn er sich fernerhin so zweideutig betrage, zum Reichsfeind erklären werde, fand er sich bereit, mir wieder mit der schuldigen Achtung zu begegnen. Doch so sehr ich ihn auch mahnte und ihm ins Gewissen redete, es gelang mir nicht, ihm ein Bekenntnis zu entlocken, das er nicht sofort widerrufen hätte. Mal sprach er zu mir mit Tränen in den Augen von seiner unwandelbaren Treue gegenüber dem König, die über jeden Verdacht erhaben sei und daher keines Beweises bedürfe, dann wieder bezichtigte er diesen, ihn in einen Krieg mit dem Westfranken stürzen zu wollen, für den er nicht gerüstet sei, und so häufte er, erfinderisch und beredt wie ein Händler, Vorwand auf Vorwand. Dieser Mensch ist mir ein Rätsel, und nur Gott weiß, auf wessen Seite er sich geschlagen hätte, wäre es nicht gelungen, die Rebellen rechtzeitig zu bändigen.
Soweit, teurer Freund, mein Bericht, und wenn ich bisher die Tatsachen geschildert habe, will ich nun darangehen, deren Ursachen zu erörtern. Dem Anschein nach, so leitete ich meine Erzählung ein, habe alles mit dem Tod zweier Männer sowie der übermütigen Tat des Eberhard begonnen, womit ich andeuten wollte, daß die wirklichen Ursachen der schrecklichen Ereignisse wohl nicht allein hierin zu suchen seien. Stellt man nämlich die Frage, ob es auch dann Aufruhr gegeben hätte, wenn der verstorbene König noch am Leben gewesen wäre, so wird man darauf von allen Verständigen die Antwort bekommen, daß sie das für ausgeschlossen hielten. Ich bin derselben Meinung, räume freilich ein, daß dieser Überlegung etwas Unbilliges anhaftet. Denn König Heinrich hatte durch herrliche Siege in vielen Kriegen gezeigt, daß er mit der Vorsehung im Bunde war; wer hätte sich daher so schnell unterfangen, gegen einen solchen Mann das Schwert zu ziehen? Otto hingegen muß sich Kriegsruhm erst erwerben und es sich bis dahin gefallen lassen, daß man, so sind nun mal die Menschen, seine Stärke zuweilen prüft.
Es erhellt dieser Vergleich jedoch auch, daß das, was dem Vater gestattet war, der Sohn sich zunächst versagen muß – wie ja überhaupt jemand, den zu fürchten die Welt noch nicht gelernt
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