Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brennaburg

Brennaburg

Titel: Brennaburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang David
Vom Netzwerk:
ernsthafte Sohn, der aber leider wenig Neigung zeigte, sie auszufüllen. Nicht, daß er an den Belangen des Reiches keinen Anteil nahm; sein Interesse an ihnen war groß, und die Sachkenntnis, mit welcher der Zwanzigjährige urteilte, nötigte nicht allein dem König oftmals Bewunderung ab. Dank seiner geschwinden Auffassungsgabe begriff Otto im Nu, was jeweils nottat, und drückte Heinrichs Gedanken zuweilen sogar klarer aus, als es dieser vermocht hätte. Selten ließ er indes erkennen, inwieweit er sie auch billigte. In seinen Äußerungen schwang stets eine rätselhafte Zurückhaltung mit, ganz so, als versetze er sich lediglich aus Höflichkeit an die Stelle des Vaters. Seiner Zustimmung fehlte es an Wärme, seinen Einwänden an Schärfe, daher war es zwischen ihnen schon lange nicht mehr zu Streitigkeiten gekommen.
    Um ihn herauszulocken, vertrat der König zuweilen Auffassungen, von denen er meinte, daß sie Ottos Beifall finden müßten, was aber in der Regel zur Folge hatte, daß dieser, so wie vorhin, eiligst den entgegengesetzten Standpunkt bezog. Bleibe, wie du bist, wollte er auf diese Weise unzweifelhaft zu verstehen geben, und versuche nicht, dich mir zuliebe zu verleugnen; ich mag das nicht.
    Überhaupt schien er darauf bedacht zu sein, alles zu vermeiden, was ihr Verhältnis hätte enger gestalten können, mochte es sich nun um gemeinsame Ansichten oder bloß um eine Geste handeln. Nicht anders ließ sich jedenfalls begreifen, weshalb er seinerzeit seinen ehelichen Sohn nicht (wie ihm nahegelegt worden war) nach dessen Großvater, sondern nach ihrem Ahnen Liudolf genannt hatte; warum es ihm ›unangenehm‹ war, wenn Thankmar, den er keineswegs sonderlich schätzte, in seiner Anwesenheit gedemütigt wurde; und auch die in Anbetracht seiner großen Frömmigkeit seltsame Weigerung, mit dem Vater über Glaubensdinge zu reden, mußte wohl auf dieses Bestreben zurückgeführt werden.
    Einmal hatte ihn Heinrich gefragt, ob er ihm etwa noch die erzwungene Heirat nachtrüge. Otto aber hatte das energisch bestritten, und zwar mit der durchaus glaubhaften Begründung, daß er sich gar keine andere Gattin als Editha mehr vorstellen könne. (Tatsächlich hatte er nie wieder verlangt, die unglückliche Slawin besuchen zu dürfen, ja einen solchen Vorschlag des Vaters sogar rundheraus verworfen.) Doch wenn es sich so verhielt – warum sperrte er sich dann dagegen, daß sie einander näherkamen? Was verbarg er?
    Verstohlen blickte der König in das verschlossene Gesicht des Sohnes, las darin aber nur, was er ohnehin seit langem wußte; daß er auf diese Fragen wohl niemals eine Antwort erhalten würde. Niemals würde sich ihm Otto öffnen, und niemals würde er preisgeben, weshalb er ihm so hartnäckig auswich.
    Finde dich damit ab, sagte sich Heinrich nach einer Weile. Du hast bekommen, was du dir immer gewünscht hattest: einen Nachfolger, welcher dir ebenbürtig ist; unvermeidlich, daß der, so wie du auch, seinen eigenen Kopf hat. Schließlich bereitet er sich auf die Macht vor, und da wird man haushälterisch mit seinen Gefühlen, muß es werden … Diese Sehnsucht nach einem Vertrauten – sicherlich ist sie nichts anderes als eine Einflüsterung des nahenden Alters, dessen fauliger Atem dir schon beim Erwachen entgegenschlägt und für den Rest des Tages fast jede Freude vergällt. Du bist noch nicht am Ende, aber die Lust am Leben, jene anscheinend so selbstverständliche Gier, ihm deinen Willen aufzuzwingen, sie ist dabei, dich zu verlassen. Und niemand auf der Welt vermag, dir von der seinen zu leihen. Darum vergeude deine Zeit nicht länger mit Klagen, sondern denke an das, was noch zu tun ist. In Bälde wirst du die Ungarn schlagen, vielleicht, daß nach diesem Sieg ein wenig von deiner früheren Frische in dich zurückkehrt.
    Anfang März geschah jedoch etwas, das König Heinrich selbst dieser Hoffnung zu berauben drohte: Späher meldeten, daß sich das ungarische Heer geteilt hätte. Offenbar hatte es von seinem Vorhaben Wind bekommen, denn während sich die eine Hälfte gen Westen wandte, war die andere im Grenzgebiet geblieben und ging nun daran, sich an den Burgen festzubeißen. Damit stand fest, daß der Plan einer Zangenschlacht gescheitert war.
    Wie sollte es weitergehen? Den abgezogenen Ungarn nachzusetzen, verbot sich schon deshalb, weil es voraussichtlich das Schicksal der belagerten Burgen und somit auch das vieler vornehmer thüringischer Geschlechter besiegeln würde. Außerdem mußte

Weitere Kostenlose Bücher