Brennen Muss Salem
einander jetzt sehr rasch. Zu rasch für seinen Geschmack. Phantasie und Realität gingen ineinander über.
Schweigend fuhren sie bis zur Auffahrt auf die Überlandstraße, jeder mit seinen Gedanken beschäftigt. Ben überlegte, was Co-dy in der Klinik gesagt hatte. Carl Foreman verschwunden. Die Leichen von Floyd Tibbits und dem McDougall-Baby verschwunden – unter den Augen von zwei Aufsehern. Mike Ryerson nicht auffindbar und Gott weiß, wer sonst noch. Wie viele Leute in Salem's Lot konnten verschwinden, ohne daß jemand sie vermißte ... eine Woche ... zwei Wochen ... einen Monat lang? Zweihundert? Dreihundert? Bens Handflächen wurden naß.
»Das wird langsam zu einem paranoiden Alptraum«, sagte Jimmy. »Unter einem akademischen Gesichtswinkel betrachtet, ist das Unheimlichste daran, wie leicht eine Kolonie von Vampiren entstehen kann - immer vorausgesetzt, daß es einen ersten gibt. Salem's Lot besitzt keine Industrie, in der ein Anstieg des unentschuldigten Fernbleibens auffallen würde. Die Schulen werden von Kindern aus drei umliegenden Städten besucht; wen stört es, wenn die Absenzlisten länger werden? Viele Leute gehen nach Cumberland in die Kirche, viele gehen überhaupt nicht.«
»Tja«,sagteBen. »DannyGlickinfiziertMike.Mikeinfiziert.
ach, ich weiß nicht, vielleicht Floyd. Das McDougall-Baby infiziert ... seinen Vater? Seine Mutter? Wie geht es ihnen? Hat jemand nachgesehen?«
»Sie gehören nicht zu meinen Patienten. Dr. Plowman wäre derjenige, der sie aufsuchen und das Verschwinden ihres Kindes bekanntmachen müßte. Aber ich weiß nicht, ob er es getan hat.«
»Man sollte sie aufsuchen«, sagte Ben gequält. »Wir laufen Gefahr, uns immer im Kreis zu bewegen. Niemand weiß, was in den Häusern hinter zugezogenen Gardinen geschieht. Die Leukönnten im Bett liegen ... oder wie ein Besen in einem Schrank lehnen ... unten in den Kellern ... und warten, bis die Sonne untergeht. Und bei jedem Sonnenaufgang sind weniger Menschen auf der Straße. Jeden Tag weniger.« Er schluckte.
»Regen Sie sich nicht zu sehr auf«, sagte Jimmy, »es ist noch nichts bewiesen.«
»Die Beweise häufen sich«, gab Ben zurück. »Wenn wir es mit einem bekannten Bezugssystem zu tun hätten – zum Beispiel mit dem Ausbruch einer Typhusepidemie -, so wäre bereits die ganze Stadt in Quarantäne.«
»Das bezweifle ich. Sie vergessen, daß nur eine einzige Person tatsächlich etwas gesehen hat.«
»Aber das war nicht der Dorftrottel.«
»Wenn seine Geschichte sich herumspräche, würde man ihn steinigen.«
»Wer würde das tun? Jedenfalls nicht Pauline Dickens. Die würde am liebsten magische Zeichen auf ihre Tür malen.«
Den Rest der Strecke legten sie wortlos zurück. Greens Leichenhalle befand sich im nördlichen Teil von Cumberland. Jimmy stellte den Motor ab und blickte zu Ben hinüber. »Bereit?«
»Ja, ich glaube.«
Sie stiegen aus.
Ihre Auflehnung war stärker und stärker geworden, und gegen vierzehn Uhr hatte sie einen Entschluß gefaßt. Susan hatte be-schlossen, noch an diesem Nachmittag zum Marstenhaus zu fahren.
Sie ging hinunter und steckte ihr Notizbuch ein. Ann Norton stand in der Küche, und der Vater verfolgte auf dem Fernsehschirm ein Basketball-Spiel.
»Wohin gehst du?« fragte Mrs. Norton.
»Nur eine Spazierfahrt.«
»Abendbrot ist um sechs. Sieh zu, daß du rechtzeitig zurück bist.«
»Spätestens um fünf.«
Sie verließ das Haus und ging zum Auto, ihrem stolzesten Besitz – nicht nur, weil es ihr erstes war, sondern auch, weil sie es mit dem Erlös ihrer Bilder bezahlt hatte (oder beinahe bezahlt hatte, korrigierte sie sich; sechs Raten waren noch offen).
Es war ein viertüriger Vega, der nun schon fast zwei Jahre alt war. Susan fuhr ihn im Rückwärtsgang vorsichtig aus der Garage und winkte flüchtig ihrer Mutter zu, die ihr aus dem Küchenfenster nachsah. Der Bruch zwischen ihnen war noch immer spürbar. Unausgesprochen. Nicht geglättet. Die früheren Streitigkeiten, so bitter sie oft gewesen waren, hatten sich immer gelegt; das Leben ging weiter, und die Zeit heilte die Wunden, die dann bis zur nächsten Auseinandersetzung geschlossen blieben, wenn der alte Groll wieder hervorkam und neue Klagen sich den früheren anschlossen. Aber diesmal war die Kluft endgültig, es war der totale Krieg. Manche Wunden ließen sich nicht bandagieren; es blieb nur die Amputation übrig. Susan hatte bereits ihre Sachen gepackt. Ihr Auszug war überfällig.
Sie fuhr die Brock Street
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