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Brennen Muss Salem

Brennen Muss Salem

Titel: Brennen Muss Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gehöre zur Routine (ebenso wie in der Leichenhalle). Insgeheim vermutete er, daß das Mädchen sein Elternhaus in einem Anfall von Ärger verlassen habe. Die Mutter gab zu, daß es Streit gegeben und das Mädchen die Absicht geäußert habe, auszuziehen.
    Dessenungeachtet fuhr McCaslin auf den Straßen der Umgebung umher, und kurz nach Mitternacht fielen seine Scheinwerfer auf ein Auto, das am Waldrand geparkt war.
    Er blieb stehen und stieg aus. Es war ein etwa zwei Jahre alter kleiner Chevy. McCaslin zog sein großes Notizbuch aus der Tasche und verglich die Nummer mit jener, die Mrs. Norton ihm angegeben hatte. Ja, es war dieselbe. Das machte die Sache ernster. Er legte die Hand auf die Motorhaube. Kühl. Das Auto mußte schon längere Zeit hier stehen.
    »Sheriff?«
    Eine helle, sorglose Stimme, wie Glockengeläute. Warum griff seine Hand nach der Pistole?
    Er wandte sich um und sah das Norton-Mädchen Hand in Hand mit einem Fremden auf sich zukommen. Susan sah unglaublich schön aus. Ihr Begleiter war ein junger Mann mit schwarzem Haar, das er streng aus der Stirn gekämmt trug.
    McCaslin richtete die Taschenlampe auf sein Gesicht und hatte das seltsame Gefühl, daß der Lichtstrahl einfach hindurchfalle, ohne das Gesicht zu beleuchten. Obwohl die beiden Gestalten gingen, hinterließen sie in dem weichen Erdreich keine Spuren.
    McCaslin verspürte Furcht, und seine Nerven signalisierten eine Warnung. Seine Hand schloß sich fester um den Revolver ... und lockerte sich. Er schaltete die Taschenlampe ab und wartete untätig.
    »Sheriff«, sagte Susan. Jetzt war ihre Stimme warm und zärtlich.
    »Wie freundlich, daß Sie gekommen sind«, sagte der Fremde.
    Sie fielen über McCaslin her.
    Etwas später stattete Susan ihrer Mutter einen kurzen Besuch ab, ohne viel Schaden anzurichten; wie ein Blutegel, der sich vollgesaugt hat, war sie im Augenblick zufrieden. Jedenfalls hatte man sie eingeladen, und von nun an konnte sie kommen und gehen, wie es ihr gefiel. Heute nacht würde sie wieder Hunger verspüren ... jede Nacht.
    Charles Griffen hatte seine Frau an diesem Montag morgen kurz nach fünf Uhr geweckt. Sein langes Gesicht war von Bitterkeit und Zorn gezeichnet. Draußen warteten die Kühe mit prallen Eutern darauf, gemolken zu werden. Er faßte die Arbeit einer Nacht in fünf Worten zusammen: »Diese verdammten Jungen sind davongelaufen.«
    Aber sie waren gar nicht davongelaufen. Danny Glick hatte Jack Griffen gefunden und sich auf ihn gestürzt; Jack war daraufhin ins Zimmer seines Bruders Hal gegangen und hatte seinem Ärger über die Schule, die Lehrbücher und seinen unnachgiebigen Vater ein Ende gesetzt. Nun lagen sie beide mitten im Heuhaufen der oberen Scheune, mit Spreu in den Haaren, und kleine Pollenstäubchen tanzten in ihren dunklen und trockenen Nasenlöchern. Eine verirrte Maus huschte über ihre Gesichter.
    Jetzt lag das Land in Helligkeit getaucht, und alle bösen Dinge schliefen. Es war ein schöner Herbsttag geworden, kühl und klar und voll von Sonnenlicht. Im großen und ganzen würde die Stadt (die nicht wußte, daß sie tot war) wie üblich zu arbeiten beginnen, ohne zu ahnen, was sich des Nachts zugetragen hatte.
    Nach dem alten Bauernkalender würde die Sonne um Punkt 19.00 Uhr untergehen.
    Es ging auf Allerseelen zu, und die Tage wurden kürzer.
    Als Ben um Viertel vor neun Uhr die Treppe herunterkam, sagte Eva aus der Küche: »Auf der Veranda wartet jemand auf Sie.«
    Er nickte und ging, in der Erwartung, Susan oder Sheriff McCaslin anzutreffen, in Pantoffeln zur Tür. Der Besucher war aber ein magerer kleiner Junge, der auf den Stufen zur Veranda saß und über die Stadt hinaus schaute, die langsam zu ihren montäglichen Aktivitäten erwachte.
    »Hallo?« sagte Ben, und der Knabe wandte sich rasch um.
    Sie blickten einander nur einen Augenblick lang an, aber für Ben schien sich dieser Augenblick seltsam zu dehnen, und ein Gefühl der Unwirklichkeit überkam ihn. Körperlich erinnerte ihn der Junge an Bens eigene Knabenzeit, aber es war mehr als das. Ben vermeinte, eine Last zu spüren, die sich auf ihn herabsenkte, als sei dieses Zusammentreffen viel mehr als nur ein Zufall. Ben dachte an seine erste Begegnung mit Susan im Park und an das Gespräch mit ihr, das ihm trotz der Oberflächlichkeit bedeutungsschwer erschienen war.
    Vielleicht fühlte der Junge etwas Ähnliches, denn seine Augen weiteten sich ein wenig und seine Hand suchte das Geländer der Veranda, als wolle er sich

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