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Brennende Fesseln

Brennende Fesseln

Titel: Brennende Fesseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Reese
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mich anfleht, ihn nicht verbrennen zu lassen.
    Als ich ihn erreiche, sehe ich, daß das Feuer inzwischen die Hälfte des Raumes beherrscht. Die Hitze ist kaum mehr zu ertragen, die Luft voller Rauch, so daß das Atmen immer schwerer wird. Ich werfe die Bettdecke auf das Feuer neben dem Bett und ersticke die Flammen neben M.s Füßen. Die Bettdecke fängt Feuer. Ich versuche vergeblich, die Flammen mit der Hand zu löschen. Ratlos weiche ich zurück. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. M.s Schreie hallen in meinen Ohren wider. Ich sehe mich um. Da ist nichts, womit ich das Feuer löschen könnte. Ich könnte einen Eimer Wasser holen, aber das würde nichts helfen. Ich bräuchte einen Schlauch. Das Feuer kriecht erneut auf das Bett zu und bewegt sich außerdem in Richtung Tür.
    »Tu etwas!« schreit M. Er hat sich so weit wie möglich zur Seite gedreht und läßt seine blutigen, striemenbedeckten Beine über die Bettkante hängen. Seine Arme sind ganz durchgestreckt. Die Haut an seinen Handgelenken ist blutig, von den Handschellen aufgeschürft. Er zerrt an den Ketten, versucht verzweifelt, die Bolzen aus den Wänden zu reißen. Ein sinnloses Unterfangen, sie sind fest verschraubt, aber M. ist nicht mehr in der Lage, klar zu denken.
    »Mein Werkzeug!« ruft er. »In der Garage! Mein Werkzeugkasten!«

    Dafür ist es zu spät. Das Fenster ist durch das Feuer versperrt, und die Flammen haben die Tür fast erreicht. Innerhalb weniger Minuten, vielleicht auch nur Sekunden, werden wir beide gefangen sein. Dann gibt es kein Entkommen mehr.
    Mein Blick fällt auf das Schwert an der Wand. Ich reiße es herunter.
    In einem Anfall von Resignation sagt M. mit heiserer Stimme: »Das wird nicht funktionieren. Die Kette ist zu dick.«
    »Ich weiß«, antworte ich, während ich auf ihn zutrete.
    M. hustet, weil er vor lauter Rauch kaum mehr Luft bekommt. Er sieht mich verständnislos an. Noch weiß er nicht, wofür ich das Schwert brauche. Dann huscht eine neue Welle der Panik über sein Gesicht. Er glaubt, daß ich ihn töten will.
    Ich stehe über M. und sehe auf ihn hinunter. Wenn ich jetzt nichts unternehme, werden wir beide verbrennen. Während ich mir ins Gedächtnis rufe, wie er Franny hat leiden lassen, trete ich näher an die Wand, damit ich direkt über seinen Unterarmen zu stehen komme. Mit beiden Händen hebe ich das Schwert über den Kopf.
    Ein Ausdruck des Entsetzens breitet sich über M.s Gesicht aus. Genauso muß Franny ihn angesehen haben, als sie starb. »Nein!« schreit er, als ihm klar wird, daß ich nicht vorhabe, ihn zu töten. »Nein!«
    Ich lasse das Schwert niedersausen und befreie M. vom Bett.

42
    Ich denke ziemlich oft über das Thema Gerechtigkeit nach, gnadenlose Gerechtigkeit: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Habe ich M. die Hände abgehackt, um ihn zu retten oder um ihn zu bestrafen? Ich kann die Frage nicht beantworten. Als ich das Schwert niedersausen ließ, waren meine Gedanken bei
Franny, aber wenn ich nicht gehandelt hätte, wäre er im Feuer umgekommen. Ich rede mir gern ein, daß ich anders bin als M. und nicht eine Art Doppelgängerin von ihm: kalt, manipulierend, grausam. Aber vielleicht sind wir einander ähnlicher, als ich mir einzugestehen wage. Ich habe die Fähigkeit, wie M. zu sein, soviel weiß ich, aber das ist ein Teil von mir, den ich lieber unterdrücke. An jenem Nachmittag hätte ich ihn zweimal töten können – und verspürte auch den heftigen Wunsch, es zu tun –, aber zweimal machte ich einen Rückzieher. Ich habe M. nicht stranguliert, und ich habe ihn auch nicht im Feuer sterben lassen.
    Ich habe M. seitdem nur noch einmal gesehen, im Krankenhaus. Seine Arme endeten unterhalb der Ellbogen in weiß bandagierten Stümpfen. Er beschuldigte mich, ihm die Hände aus Rache abgetrennt zu haben. Vielleicht. Aber wenn ich länger darüber nachdenke, weiß ich, daß ich keine andere Wahl hatte.
    Die Feuerwehr kam nur wenige Minuten später, zu spät, um M. zu helfen, aber rechtzeitig, um sein Haus zu retten. Das Feuer hat nur das Erziehungszimmer zerstört. Ich selbst habe mir die Hände verbrannt – nur Verbrennungen zweiten Grades, die Haut war roh und warf Brandblasen –, aber das wurde mir erst bewußt, nachdem die Feuerwehr eingetroffen war.
    Die beiden Videos, die einzigen Beweise dafür, daß M. Franny umgebracht hat, sind zerstört. Er wird für den Mord an ihr nie gerichtlich belangt werden können. Aber ich glaube an ein Karma, daran, daß böse Menschen letztendlich

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