Brennende Hunde
reichte Jodie den Flachmann.
„Trink auch einen Schluck!“
Jodie trank. Und während sie noch den Kopf in den Nacken
legte und darauf hoffte, daß die Wärme zurückkehren würde, erblickte sie aus
den Augenwinkeln einen sich langsam nähernden Wagen. Im Schrittempo fuhr er an
die zwei Frauen heran und hielt urplötzlich an.
Die seitliche Schiebetür des Van öffnete sich. Innen
schien eine Art Bett installiert worden zu sein, mehr konnten die Frauen
zunächst nicht erkennen.
„Sieht so aus, als kämen wir doch noch zu unserem kleinen
Abenteuer“, sagte Noona.
Nun glitt auch die Scheibe auf der Fahrerseite hinab und
eine Hand streckte sich ihnen entgegen, in der sich drei
Einhundert-Dollar-Scheine befanden. Auch das Gesicht des Fahrers war nicht zu
erkennen.
„Du oder ich?“ fragte Jodie.
Die Finger der Hand zeigten auf sie.
„Er will dich, Schätzchen“, antwortete Noona. „Also … ich
wünsch’ dir viel Glück. Wir sehen uns nachher bei Mark’s.
Jodie schluckte. Nun also kam es doch noch dazu. Am
liebsten wäre sie davongerannt. Dann jedoch ergriff sie, von der Situation
überfordert, das Geld und stieg in den Van. Die Seitentür schloß sich, ein
Licht sprang automatisch an, und der Wagen fuhr los. Leise Musik träufelte aus
versteckten Lautsprecherboxen.
„Hallo?“ rief Jodie. „Können Sie mich hören da vorn?“
Doch der Fahrer antwortete nicht. Ihr wurde unheimlich
zumute. Instinktiv versuchte sie, die Tür von innen zu öffnen – ein vergeblicher
Griff.
***
Jodie McCullum blickte zu Dess. Tränen liefen ihr über
die Wangen, und was sie sagte, war kaum zu verstehen.
„Der Wagen stoppte, die Tür öffnete sich, und ein
Elektroschocker traf mich am Hals. Ich schrie vor Schmerz, dann wurde mir ein
Knebel in den Mund gestopft. Schläge prasselten nieder auf mich. Aber das war
nicht das Schlimmste. Stellen Sie sich vor, wie das ist: wehrlos und geknebelt
dazuliegen und über Ihnen … über Ihnen erscheint plötzlich das Gesicht Ihres
eigenen Vaters! Der sie schlägt, vergewaltigt und quält. Der sie bespuckt und
demütigt und der sie nicht erkennt, sie aber ihn.“
Jodie war in ein Schluchzen ausgebrochen und zitterte am
ganzen Leib. Dess entschied, ihr eine Pause zu gönnen. Die Geschichte entpuppte
sich als tragischer, als selbst er angenommen hatte. Riley hatte ihm bereits
erzählt, daß die Tote auf dem Bett sicherlich nicht Jodie McCullum gewesen war.
„Doch, ich kannte sie flüchtig. Ab und zu ging sie auf
dieselben Konzerte wie ich“, hatte Riley berichtet. „Und auch wenn die Tote in
meinem Haus schrecklich zugerichtet war – wäre es Jodie gewesen, ich denke, ich
hätte sie dennoch erkannt.“
Dess hatte daraufhin eine erneute Überprüfung der Leiche
veranlaßt, und Riley sollte Recht behalten. Die Fingerabdrücke der Leiche waren
mit einer Angelina Connors identisch, die einmal in Mobile, Alabama, wegen
Alkohol am Steuer belangt worden war. Buster McCullum hatte sich aufgrund des angeschwollenen
Gesichtes und des auffälligen Rings an der Hand der Toten geirrt. Zum zweiten
Mal innerhalb von vierundzwanzig Stunden hatte er seine Tochter nicht erkannt. Er
hatte sie übel zugerichtet, aber – sie lebte.
„Was ist dann geschehen?“ fragte Dess und schaute zu
Jodie, die zusammengesunken in ihrem Korbstuhl kauerte.
„Als er genug hatte, warf er mich irgendwo raus. Auch
meine Tasche. Irgendwann am nächsten Tag wachte ich auf. Es gelang mir, mein
Telefon aus der Tasche zu nehmen und Noonas Nummer zu wählen. Sie kam und
brachte mich ins Krankenhaus.“
„Wir haben die Krankenhäuser inzwischen überprüft. Ihr
Name taucht in keinem der Computer auf.“
„Kein Wunder. Ich hatte meine Krankenkarte nicht dabei.
Also habe ich Noonas Karte benutzt. Sie wollten mich da behalten, aber ich
weigerte mich. Noona nahm mich zu sich nach Hause. Drei Tage lang hab’ ich fast
nur geschlafen. Noona hatte inzwischen meine Mutter informiert, um sie zu
beruhigen. Es waren nämlich bereits Meldungen über meinen Tod aufgetaucht. Nach
dem Telefonat fuhr meine Mutter zu Noona und mir, und irgendwann, während wir redeten,
begriffen wir, welche phantastische Möglichkeit sich uns mit einemmal bot. Sie
verstehen: Offiziell galt ich als tot. Konnte es ein perfekteres Alibi geben?“
In der Terrassentür erschien Rita McCullum.
„Heute keinen Gin Tonic, Mr. Dess?“ wollte sie wissen.
„Doch, ich bitte darum“, erwiderte er und fuhr fort:
„Sehen Sie, genau das war das
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