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Brennende Kälte

Brennende Kälte

Titel: Brennende Kälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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nicht zum ersten Mal. Die Tür war mit einem Vorhängeschloss gesichert, und der Schlüssel dazu hing an seinem Schlüsselbund.
    Meister stellte Eimer, Schaufel und Besen ab, öffnete das Schloss und zog die schwere Bunkertür auf. Dahinter befand sich auf der kompletten Länge von N1 ein alter Luftschutzbunker. Hitlers Stararchitekt Speer hatte ihn entworfen und gebaut. Eine riesige Fläche bot 1600 Personen Platz. In den Zeiten des Kalten Krieges war der Keller modernisiert und ausgebaut worden, doch nun diente er nur noch einigen Firmen als Lagerplatz. Noch immer hingen von den Decken Ketten mit gestapelten Metallrahmen herab, die sich mit wenigen Handgriffen in dreistöckige Pritschen verwandeln ließen. An den Wänden waren Reihen mit Holzsitzen montiert, mit fest verankerten Kopfstützen aus Holz und mit Leder überzogen. Noch immer war der Bunker einsatzfähig.
    Eine Tür führte zu einem weiteren Bunker, der direkt unter dem Paradeplatz lag und auch von diesem durch eine Treppe zu erreichen war, die jedoch mit feuerverzinktem Gitter abgedeckt war. Dieser Bunker war in zwei Hälften unterteilt, die groß und lang waren und Meister, obwohl er schon oft hier unten gewesen war, immer wieder unheimlichvorkamen. Neulich hatte ihm sein Enkel erzählt, dass der bekannte Mannheimer Rapper Xavier Naidoo diese Bunker als Schauplatz für ein Musikvideo genutzt hatte. Aber von solchen Dingen verstand Meister nichts.
    Dieser Teil der Bunkeranlage war Jürgen Meisters eigentliches Ziel. Er sollte die beiden Räume reinigen.
    Er betrat den Vorraum, schaltete das Licht an, stellte die Putzutensilien ab und drückte die schwere Tür hinter sich wieder zu. Dann nahm er Eimer und Besen und betrat den ersten Raum.
    Links standen Kisten und Kästen von Mannheimer Firmen, dahinter ein Stapel von Bilderrahmen, die eine Galerie hier eingelagert hatte. Um den ganzen Raum zog sich auf Kopfhöhe ein phosphorisierender gelber Streifen, der notdürftiges Licht spenden würde, wenn die Stromversorgung zusammenbrechen sollte.
    Meister ärgerte sich noch immer ein wenig, dass er den Witz nicht richtig erzählt hatte, und überlegte sich, wie er es heute Abend in der Skatrunde besser machen konnte.
    Da traf ihn ein Schlag.
    Unvermittelt schien sich etwas in sein Herz zu bohren. Es war ein unbeschreiblicher Schmerz.
    Meister ließ Eimer und Besen fallen, riss den Mund auf und versuchte zu atmen. Der Schmerz verschwand, aber er spürte seinen Herzschlag, so laut, wie er es noch nie gehört hatte. Herzinfarkt, dachte er. Ausgerechnet hier unten.
    Mit der rechten Hand drückte er gegen seinen Brustkorb und ging zum Ausgang zurück. Er erreichte die rote Bunkertür und zog daran. Sie ging nicht auf.
    Er zog heftiger.
    Sie rührte sich nicht.
    Erst dachte er, er wäre zu schwach.
    Also zog er mit beiden Händen.
    Dann begriff er, dass jemand draußen das Vorhängeschloss wieder verriegelt hatte.
    Ausgerechnet jetzt, dachte er.
    Er zog sein Funktelefon aus der Hosentasche, obwohl er genau wusste, dass er hier, zehn Meter unter der Erde, keinen Empfang haben würde.
    Er versuchte trotzdem, seine Frau anzurufen, und steckte das Gerät zurück in die Hosentasche, als er festgestellt hatte, dass es nicht funktionierte.
    Da traf ihn ein zweiter Schlag. Heftiger noch als der erste. Ihm war, als sei in seinem Inneren ein Höllenfeuer angezündet worden. Er brannte. Innerlich.
    Meister riss den Mund auf und fiel vornüber auf die Knie. Mit der rechten Hand versuchte er, die blaue Jacke aufzuknöpfen. Der dritte Schlag traf ihn am Kopf. Es riss ihn herum, als sei er in eine Linke von Muhammad Ali gelaufen. Sein Schädel platzte. Aber da war er schon tot.

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    Am Bärensee
    Dengler war bereits vor Mitternacht wieder in Stuttgart zurück. Die Wendung, die seine Begegnung mit Sarah Singer genommen hatte, hatte ihn überrascht. Keine Affäre mit der Kundschaft – das war ein Grundsatz bei der Polizei gewesen, auch wenn sich nicht alle Kollegen daran gehalten hatten. Aber Dengler machte sich keine Illusionen: Er hatte alle Kraft aufbringen müssen, um Sarah Singers Angebot abzulehnen.
    Und darüber musste er nachdenken. Aber nicht jetzt. Jetzt war er zu müde. Morgen. Dengler sah nicht mehr bei Olga vorbei. Er ging in seine Wohnung und war wenig später eingeschlafen.
    Am nächsten Morgen war er bereits um sechs Uhr wach. Er stand sofort auf, ließ sich kaltes Wasser über das Gesicht laufen, brühte sich einen schnellen Espresso und zog dann seinen

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