Brennende Kälte
E-Mail an die Firma, an deren Waffenich ausgebildet war. Das war wahrscheinlich verboten, nicht gerade der Dienstweg, aber was sollte ich machen?
Vielleicht hat das was ausgelöst. Ich weiß es nicht. Aber dann nahmen sie uns zu Einsätzen mit. Groß angekündigt: Operation Anaconda, da durften wir mit. Ansonsten mussten wir in ihrem Gefangenenlager Wache schieben. Untergeordnete Hilfstruppen waren wir – und darüber kamen wir während meines ganzen Einsatzes nicht hinaus.
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Internetrecherche
Nachdem Dengler geduscht hatte, setzte er sich an den Rechner und war überrascht, eine E-Mail von Sarah Singer vorzufinden. Sie hatte sie noch in der Nacht geschickt. Dengler sah auf die Sendezeit der Mail: 3.15 Uhr.
Lieber Georg, darf ich Sie so nennen? Schlafen kann ich gar nicht mehr. Ich habe die alten Unterlagen durchsucht und habe die Adresse von Klaus Holzer gefunden. Es ist eigentlich die Wohnung seiner Freundin, aber er wohnt auch dort. In Remshalden, Schillerstraße 9. Susanne Dippler heißt sie. Schade, dass Sie nicht mehr Zeit hatten. Sarah
Dengler nutzte den Rest des Vormittags, um im Internet über die Spezialeinheit zu recherchieren, der Florian Singer angehört hatte. Anlass ihrer Gründung sei die Rettung von Mitarbeitern der Deutschen Welle gewesen, so las er, die von belgischen Fallschirmjägern aus Kigali evakuiert werden mussten, als der Völkermord in Ruanda losbrach. Die damals einsetzende internationale Kritik an der Bundesregierung, sie könne ihre Staatsbürger nicht schützen, habe zur Gründung der Truppe geführt. Dengler fand auch einen Artikel aus der Welt, in dem berichtet wurde, dass die Bundeswehr schon Jahre zuvor – von der Öffentlichkeit unbemerkt – mit einer solchen Spezialeinheit experimentiert habe. Erst nach Ruanda seien dem Bundestag die Pläne für eine derartige Sondertruppe vorgelegt worden, mehr oder weniger versteckt im Rahmen eines Strukturanpassungskonzeptes. Diese Spezialtruppe wurde, so folgerte Dengler, auf politisch kaltem Wege eingeführt. Man wollte kein Aufsehen.
Dengler fand eine Internetseite, die sich mit Bewaffnungund Ausrüstung der Truppe beschäftigte. Es waren etwa eintausend Mann, fast ausschließlich Berufssoldaten, gewissermaßen eine Art Berufsarmee innerhalb der Bundeswehr, mit modernsten Waffen, dem Gewehr G 36 k, Nachtsichtgeräten, Blendgranaten, Hubschraubern und Informationstechnologie. Irgendetwas, was darauf hindeutete, dass sie eine Waffe besäßen, die Dengler diese brennenden Schmerzen zugefügt hatte, fand er jedoch nicht.
Er nahm einen Zettel aus dem Druckerschacht und schrieb darauf:
Welche Waffe?
Dieses Papier hängte er an die Wand neben seinem Schreibtisch.
Gegen Mittag fuhr er nach Remshalden. Die Schillerstraße lag im Stadtteil Grunau und führte vom Ortskern den Berg hinauf. Das Haus mit der Nummer 9 war eher ein zweistöckiger Anbau als ein eigenständiges Haus. Alle Fensterläden waren verschlossen, sowohl im ersten als auch im zweiten Stock, und die Einwurfschlitze der Briefkästen waren mit Klebeband überklebt.
Hier wohnte niemand mehr.
Dengler klingelte im Haus nebenan. Ein kräftiger, etwa vierzigjähriger Mann öffnete. Das Haus nebenan sei leer, es werde abgerissen, irgendwann einmal, sagte er, wann, wisse er auch nicht. Nein, wo die Frau Dippler hingezogen sei, wisse er nicht. Aber er schien ihren Wegzug zu bedauern.
Dengler bedankte sich für die Informationen und fuhr zurück nach Stuttgart.
Auf dem Rückweg dachte er an seinen abgelaufenen Reisepass. Er hatte ihn immer noch nicht erneuern lassen.
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Marode Truppe
Als Dengler wieder in seinem Büro saß, rief er die Gemeindeverwaltung Remshalden an.
Er sei ein Klassenkamerad von Susanne Dippler. Er wolle sie zu einem Klassentreffen einladen, aber sie sei verzogen, und er wisse nicht, wohin. Ob sie ihm da weiterhelfen könne. Da müsse er ein Fax schicken, sagte die Dame. Das mache er gerne, sagte Dengler. Er schrieb ein entsprechendes Fax und schickte es ab.
Dann wandte er sich wieder der Recherche über Singers Spezialtruppe zu. Diese schien unter keinem guten Stern zu stehen. Die Skandale, in die sie verwickelt war, waren zahlreich. Einmal malten Mitglieder der Truppe auf einen Geländewagen abgewandelte Embleme der Wehrmacht, genauer von Hitlers Afrika-Korps. Dann wurde der Kommandeur der Truppe, ein Brigadegeneral, abgelöst, weil er sich als Unterstützer eines bekannten Rechtsradikalen geoutet hatte. Derselbe General, nun die
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