Brennende Kälte
gleich.«
Dengler machte eine Pause.
»Ich muss erst noch einen Fall abschließen. Etwas Privates.«
Nolte sagte: »Gut. Aber beeilen Sie sich. Es geht bald los.«
Dann legten sie auf.
Danach rief er Weber im Polizeipräsidium an. Er mochte den Hauptkommissar. Bei seinem letzten großen Fall hatten sie sich kennengelernt, und Dengler schien es, als würde Weber ihn schätzen. Hin und wieder telefonierten sie. Weber brauchte manchmal eine Auskunft, wie er den einen oder anderen Beamten im Bundeskriminalamt einzuschätzen habe, und Dengler antwortete ihm stets aufrichtig. Kurz: In ihrer wechselseitigen Buchhaltung hatte sich auf Denglers Seite ein kleines Guthaben angesammelt. Oder anders ausgedrückt: Weber war ihm einen Gefallen schuldig. Mindestens einen.
Dengler kam gleich zum Thema: »Ich bearbeite den Fall eines vermissten Soldaten. Eines Berufssoldaten. Hat sich aus dem Staub gemacht. Seine Frau bat mich, ihn zu suchen. Möglicherweise ist er psychisch krank. Er war wohl zu lange in Afghanistan. Ich will wissen, ob die Polizei sich auch mit der Sache beschäftigt.«
Weber lachte trocken.
»Herr Dengler, wissen Sie, was bei uns los ist? Ich leite die Kommission wegen der Schutzbunkermorde am Marktplatz. Sie haben doch sicher davon gelesen.«
»Ja, es soll ein terroristischer Anschlag auf zwei städtische Angestellte gewesen sein, heißt es.«
Weber lachte: »Was die Zeitungen alles schreiben ...«
»Kommen Sie voran?«
»Nein, um ehrlich zu sein. Wir stehen vor einem Rätsel. Wahrscheinlich sogar vor mehr als einem. Deshalb dauert es, bis ich mich um die Sache kümmern kann. Ich rufe Sie zurück. Aber es dauert ein, zwei oder auch drei Tage. Geben Sie mir die Daten.«
Dengler diktierte ihm Namen und Geburtsdatum von Florian Singer, früher Florian Fleisch.
Er hörte die Glocken der Stiftskirche und zählte mit. Sechs Glockenschläge. 18 Uhr. Dengler griff zum Telefon und bestellte ein Stadtmobil. In zwei Stunden wollte er bei Sarah Singer sein.
Zunächst aber klopfte er an Olgas Tür. Sie war nicht da. Er stand allein im Treppenhaus, und zum ersten Mal seit langer Zeit wusste er nicht weiter.
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Ein guter Mensch
Als sie die Tür öffnete, trug sie ein weißes kurzes Kleid, das ihre Figur betonte. Sie hatte sich sorgfältig zurechtgemacht, war offensichtlich beim Friseur gewesen. Sie trug weiße Sandaletten und hatte die Fußnägel perlmuttfarben lackiert. Sarah Singer lächelte.
Sie begrüßte ihn mit einem Kuss auf die Wange, einem Kuss, bei dem ihre Lippen auch sein Ohrläppchen berührten. Er küsste sie auch auf die Wange. Vorsichtiger allerdings.
Dann trat er ein.
Sie brachte zwei Gläser, Sektkelche, und eine Flasche Crémant. Er öffnete sie schweigend und goss die beiden Gläser ein.
Sie sah ihm still zu. Der Rock gab ein beachtliches Stück ihrer Oberschenkel frei. Dengler gefielen sie.
Immer noch schweigend stießen sie an.
»Die Bezahlung«, sagte sie. »Darüber wollten wir doch reden?«
Sie fuhr mit der Zungenspitze über die Unterlippe, wie sie es bei ihrem ersten Gespräch getan hatte, und jetzt – wie damals – erschien ihm das wie ein Versprechen.
»Hat Florian – ich meine, hat Ihr Mann jemals mit Ihnen über ... mich gesprochen?«, fragte er betont sachlich.
Sie sah ihn überrascht an.
»Warum haben Sie ausgerechnet mich beauftragt, Ihren Mann zu suchen?«
»Sie standen in der Zeitung. Wegen dieser Geschichte da letztes Jahr.«
»Welche Geschichte?«
»In Ihrem Büro wurde jemand umgebracht.«
Das stimmte. Bei seinem letzten Fall hatte ein Auftragsmörder versucht, ihn zu töten. Und war dabei selbstumgekommen. Beide Stuttgarter Zeitungen hatten damals ausführlich über den Fall berichtet. Und auch überregional fand der Fall Aufmerksamkeit.
»Hat Ihr Mann diese Artikel auch gelesen?«
Sie überlegte.
»Keine Ahnung. Ich glaube nicht. Da las er schon längst keine Zeitungen mehr.«
»Haben Sie die Adresse von seinem Kameraden gefunden, von diesem Klaus Holzer?«
»Noch nicht.«
»Ich muss ihn sprechen«, sagte Dengler und stand auf.
Sie sah ihn überrascht an.
»Was ist mit der Bezahlung?«, sagte sie. »Ich ertrage es nicht, dass Sie umsonst arbeiten.«
Und dann: »Kommst du mit ...?« Sie wies auf eine Tür. »... ins Schlafzimmer?«
Dengler erhob sich schwer aus der Couch. Eine harte Erektion machte ihm das Aufstehen schwer. Sein Mund war trocken. In der Hand hielt er immer noch den Sektkelch. Sie kam auf ihn zu und legte beide Arme um
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