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Brennende Kälte

Brennende Kälte

Titel: Brennende Kälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Trainingsanzug und die Laufschuhe an. Das Stadtmobil stand noch unten vor der Tür, und so fuhr er früh hinauf zu den Bärenseen.
    Unweit des Stadtzentrums, zehn Autominuten vom Bohnenviertel entfernt, lagen drei Seen, die früher einmal der Trinkwasserversorgung Stuttgarts gedient hatten. Heute war der schattige Weg um die Seen ein beliebter Spazier- und Joggingweg. An Wochenenden herrschte hier kaum weniger Andrang als in der Königstraße, dem großen Einkaufsboulevard der Stadt.
    Doch so früh am Morgen zog nur ein einsamer Jogger seine Runden. Die Sonne war bereits aufgegangen. Nebelschwaden hingen über dem Wasser. Einige Enten und Blesshühner tauchten am Rande des Ufers nach Futter, und ein Fischreiher segelte mit ausgebreiteten Schwingen über das Wasser. Dengler bemerkte, dass sich an einigen der Bäume,die das Ufer säumten, die Blätter bereits herbstlich verfärbt hatten.
    Er joggte nicht mehr regelmäßig, wie er das früher getan hatte. Einmal in der Woche, wenn er ehrlich war, eher einmal in vierzehn Tagen. Früher, beim BKA, war er zwei- oder dreimal in der Woche gelaufen. Entweder im Wiesbadener Kurpark oder, viel lieber, am Rhein entlang. Das Laufen hatte ihm stets Ruhe zum Nachdenken gegeben. Wenn er seinen Rhythmus gefunden hatte, konnte er sich dem Denken und Grübeln hingeben. Die Lösung eines komplizierten Falles, es ging um einen flüchtigen Baulöwen aus dem Taunus, war ihm beim Laufen am Rhein eingefallen.
    Auch jetzt musste er sich über zwei Dinge klar werden.
    Zunächst über Sarah Singer.
    Das war der einfache Teil.
    Seine Klientin hatte ihn verführen wollen. Vielleicht weil sie sein Honorar nicht bezahlen wollte oder konnte, aber dies war sicherlich nicht der Hauptgrund. Er hatte Angst in ihren Augen gelesen. Und Einsamkeit. Sie wollte nicht allein sein. All das war nicht schwer zu verstehen.
    Dengler lief zweimal um die Seen und blieb dann schnaufend stehen. Er hätte beinahe mit Sarah Singer geschlafen. Jetzt wusste er, warum. Es war nicht so sehr Geilheit. Es wäre Rache gewesen. Rache an Florian Singer, ehemals Florian Fleisch, für den Verrat an ihrer Freundschaft, für den Versuch, ihn damals am Windgfällweiher umzubringen. Rache für die größte Enttäuschung seiner Kindheit.
    Und während er immer noch erschöpft am Ufer des Bärensees stand, wusste er, dass er Florian Singer finden musste. Nicht wegen Sarah Singers Auftrag. Er musste es tun, um endlich Licht in dieses Kapitel seines Lebens zu bringen. Warum hatte sein Blutsbruder ihn umbringen wollen? Die Antwort darauf war Florian ihm schuldig.
    Florian zu finden: das war der schwierigere Teil.
    Ich werde mächtige Gegner haben.
    Dengler rannte noch einmal los.
    Noch eine Runde um den ersten der drei Seen.
    Er würde einen langen Atem brauchen.

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    Erster Bericht: Elitetruppe
    Von wegen Elitetruppe. In Deutschland wurden wir so genannt. Aber in Afghanistan? Wir waren die Fußabtreter der Amerikaner. Denen waren wir nur lästig. Wenn wir Glück hatten, benutzten sie uns als Hilfstruppe. Hielten uns nicht mal für besonders zuverlässig. Ich war bei dem ersten Kontingent. Im Vorauskommando. Im Dezember 2001 kamen wir nach einem kurzen Aufenthalt in Oman im Südwesten Afghanistans an. »Uneingeschränkte Solidarität« mit den Amerikanern hatte der Bundeskanzler versprochen. Die Amis wiesen uns eine bessere Müllhalde zu, auf der wir unsere Zelte aufbauten. Es war ekelhaft kalt. Die Versorgung klappte nicht. Kameraden erkrankten und wurden wieder zurückgeflogen. Manche mit merkwürdigen Mangelerscheinungen. Es war wie auf einem Geisterschiff, auf dem Skorbut ausgebrochen ist. Die Amerikaner hatten nichts für uns zu tun. Für die waren wir eine Last. Aber ich hatte ja einen Auftrag! Doch wir wurden nie zu irgendwelchen Einsätzen mitgenommen. Das war frustrierend. Erst als es mit dem Nachschub klappte, vor allem mit Alkohol, wurden die Amis freundlicher. Palettenweise schickte uns das Verteidigungsministerium Bier, Wein und Schnaps. Die Amis hatten nämlich ein strenges Alkoholverbot. Für die war Q-Town, wie sie Kandahar nannten, ein dry-camp. Einsatz in einem muslimischen Land! Wir organisierten den Handel. Plötzlich waren die Germans nicht mehr die lästigen Verbündeten, sondern Freunde mit Stoff.
    Dumm nur, dass unser Kontingentführer selbst so soff, dass er manchmal einfach umfiel. Es gingen bald Gerüchte rum, dass die Amerikaner sich weigerten, mit ihm Besprechungen abzuhalten.
    Ich schrieb dann eine

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