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Brennende Kälte

Brennende Kälte

Titel: Brennende Kälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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alles. In einem kleinen Topf kochte er einen Viertelliter Gemüsebrühe auf. Dann gab er drei Chili in die Pfanne. Bevor die roten Blätter braun wurden, löschte er das Gemisch mit der Brühe ab und fügte einen kräftigen Schuss spanischen Weinbrand hinzu. Dann schüttete er noch einen Becher süße Sahne hinzu und verdickte das Radicchio-Zwiebel-Gemisch, indem er etwas Mehl durch ein Sieb darüberstreute. Dann wartete er, bis die Spaghetti fertig wurden. In dieser Zeit kochte die Soße weiter ein.
    »Pasta mit Radicchio«, rief er und servierte das Essen auf zwei vorgewärmten Tellern.
    Während des Essens erzählte er Olga von dem Gespräch mit Professor Bartsch im Hamburger Bundeswehr-Krankenhaus. Olga hörte konzentriert zu.
    »Und wie willst du diesen Irren finden?«, fragte sie. »Und was willst du von ihm wissen, wenn du ihn gefunden hast?«
    »Ich will wissen, warum er versucht hat, mich umzubringen.
    Und was er in Afghanistan erlebt hat. Warum er seine Frau quält, bevor er davonläuft.
    Und noch etwas anderes beschäftigt mich. Die Drohung des unbekannten Angreifers neulich am Telefon. Ich erinnere mich, dass er gesagt hat: >Lass die Finger von Singer.< Aber irgendetwas an diesem Satz war anders, ich weiß nicht mehr, was.«
    »Komm mal mit«, sagte Olga und bugsierte ihn auf die Couch.
    »Leg dich hin, entspann dich, schließ die Augen und versuche dich nur an die Geräusche zu erinnern, an die Stimme als Ton, nicht an die Worte. Nur an die Geräusche.«
    Sie legte ihre Hand auf seine Stirn. Dengler schloss die Augen.
    Er versuchte sich an die Geräusche zu erinnern. An die Stimme. Aber er kam immer zu dem gleichen Resultat.
    Lass die Finger von Singer.
    »Wie ist der Ton der Stimme?«
    »Metallen.«
    »Erinnere dich an die Melodie dieses Satzes.«
    »Die Melodie?«
    »Ja, die Melodie.«
    »Lass – ganz kurz, entschieden, es klang wie Hass.«
    »Gut. Weiter.«
    »Die – immer noch metallen. Direkt hinter dem Lass. Aber das i etwas lang gezogen. Diiiie. Aber nicht viel. Nur ein bisschen.«
    »Und der Finger reimt sich auf Singer. Fast ein Gedicht.«
    »Gedicht? Nein, so hat es sich nicht angehört. Kein Gedicht!«
    »Die Finger von Singer – das reimt sich.«
    »So war's nicht.«
    Und plötzlich wusste er es.
    »Es hat geknackt. Der Zerhacker hat geknackt. Nach dem von hat es geknackt.«
    Er war enttäuscht. Nicht mehr als ein Knacken.
    »Das kann den Sinn des Satzes geändert haben«, sagte Olga,
    »wenn das Knacken ein anderes Wort zerstört oder übertönt
    hat.«
    Sie schwiegen.
    »Lass die Finger von der Singer«, sagte Dengler.
    Olga zog eine Augenbraue hoch.
    »Er scheint eifersüchtig zu sein«, sagte sie.
    »Und eine gefährliche Waffe zu haben«, sagte er.
    * * *
    Am nächsten Morgen war Dengler um sechs Uhr hellwach. Olga lag neben ihm und schlief, den Mund leicht geöffnet. Vorsichtig stand er auf, schlüpfte in seine Jeans und ging hinunter in seine Wohnung. Auf dem Teppich vor seinem Bett machte er achtzig Liegestütze, dann duschte er. Noch im Bademantel brühte er sich in der Küche einen Espresso. Er holte die Milch aus dem Kühlschrank, doch dann stellte er sie wieder zurück. Heute trank er den Kaffee schwarz. Seine Gedanken kreisten um Florian Singer.
    Um acht saß Dengler an seinem Schreibtisch. Auf dem Anrufbeantworter war eine Nachricht von Nolte, der einen genauen Zeitpunkt wissen wollte, ab dem Dengler für ihn arbeiten könnte. Der Kunde von der Versicherung wollte zurückgerufen werden, und von Sarah Singer waren drei Anrufe auf dem Band.
    Er arbeitete eine Stunde an dem neuen Versicherungsauftrag, dann rief er Sarah Singer an.
    »Sie haben Florian gefunden?«, fragte sie, sofort nachdem er sich gemeldet hatte.
    »Ja. Kann ich persönlich mit Ihnen darüber reden?«
    »Ja.« Aber dann zögerte sie. »Warum können Sie mir jetzt nicht einfach sagen, wo er ist?«
    Weil das BKA mithört, dachte Dengler, und diese Nachricht eine falsche Fährte, ein Lockmittel ist. In Wirklichkeit weißich nicht mehr als vorher. Nur dass Singer eifersüchtig ist, das weiß ich. Und dass ich diese Eifersucht nutzen will, um ihn zu finden.
    »Ich muss persönlich mit Ihnen sprechen«, sagte Dengler.
    »Heute Abend?«
    Dengler spürte, wie sie sich einen Ruck gab.
    »Also meinetwegen – bis heute Abend.«

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    Calw, am Abend
    Dieses Mal nahm er sich einen Leihwagen. Kein rotes Stadtmobil. Keine Auffälligkeiten. Keine Fehler. Konzentration. Aufmerksamkeit. Die Fährte, die Dengler verfolgte,

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