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Brennende Kälte

Brennende Kälte

Titel: Brennende Kälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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war vage genug. Das Wild war scheu und gefährlich zugleich. Er hatte die Smith & Wesson aus dem Safe genommen und durchgeladen. Sie steckte nun in dem Schulterhalfter. Dengler hoffte, dass er sie nicht brauchen würde.
    Es war bereits dunkel, als er Calw durchquerte. Er kontrollierte die Straßen in der Nähe ihres Hauses, aber sah weder einen dunklen Kastenwagen noch irgendein anderes Auto, das seinen Verdacht erregte. Dengler parkte den schwarzen A6 hinter Sarah Singers blauem Toyota so, dass die Fahrerseite zum Bürgersteig stand. Er verschloss den Wagen nicht. Falls notwendig, konnte er sofort in den Wagen springen.
    Sarah Singer führte ihn diesmal nicht ins Wohnzimmer, sondern in die Küche. Sie stellte zwei Gläser auf den Tisch und eine Karaffe Wasser.
    Sie setzte sich.
    Dengler spürte, wie distanziert sie war. Vielleicht hatte sie ihm die Zurückweisung nicht verziehen.
    »Sie haben also meinen Mann gefunden?«
    »Ich habe eine Spur. Auf der kann ich ihn möglicherweise finden.«
    »Nur eine Spur? Am Telefon hörte sich das aber anders an.«
    »Ihr Mann ist eifersüchtig. Vielleicht krankhaft eifersüchtig. Er überwacht Sie.«
    Er erzählte ihr von dem Anruf, ohne den Angriff zu erwähnen.
    »›Lass die Finger von der Singer‹ – das soll Florian gesagt haben? Warum, um Gottes willen, sollte er?«
    Sie schien ihm nicht zu glauben.
    Dengler zog sein Notizbuch aus der Tasche und riss ein Blatt
    heraus.
    Ich vermute, dass Ihr Mann ein Mikrophon oder eine Kamera in Ihrer Wohnung installiert hat, schrieb er darauf und schob es
    ihr über den Tisch.
    Sie las den Zettel aufmerksam und sah ihn dann ruhig und
    fragend an.
    »Wo sind Ihre Kinder?«, fragte Dengler.
    »Sie schlafen bei den Eltern. Bis ich das hier durchgestanden
    habe.«
    »Gut.« Dengler nickte.
    »Stellen Sie den Fernseher an oder das Radio.«
    Sie stand auf und schaltete das kleine Transistorradio an, das
    auf einem Regal über der Spüle stand. Dengler rückte näher
    zu ihr heran und erläuterte seinen Plan.
    * * *
    Was macht der Bonzenschlitten vor ihrem Haus?
    Langsam fuhr er an der Kreuzung vorbei, die ihm einen Blick in ihre Straße erlaubte.
    Hamburger Kennzeichen.
    Empfängt sie jetzt schon Kunden aus Norddeutschland?
    Wut erfüllte ihn so unvermittelt, dass er sich verkrampfte und das Lenkrad nach rechts riss. Der Wagen streifte den Bürgersteig. Singer trat fest auf die Bremse. Der Motor wurde abgewürgt. Sein Kopf raste der getönten Windschutzscheibe entgegen, die Bewegung seines Oberkörpers wurde erst im letzten Augenblick vom Sicherheitsgurt gebremst. Singer atmete heftig, und es kam ihm vor, als sehe er Sternchen.
    Nun gut – sie wollte es nicht anders.
    Er wendete den Wagen und parkte ihn wieder auf einem der Stellplätze bei der alten Linde. Dann stieg er aus, öffnete die rückwärtige Tür zum Kastenraum und sprang hinein.
    Drinnen wurde er wieder ruhig.
    Obwohl es eine warme Spätsommernacht war, fror er.
    Es dauerte zwei Minuten, bis die Aggregate betriebsbereit schnurrten und er den Laptop hochgefahren hatte. Dann sendete er die ersten Strahlungen ab. Die Koordinaten kannte er im Schlaf.
    Er lachte bitter. Ja, diese Koordinaten kannte er auswendig. Auf dem Laptop tauchten die Konturen des Flurs auf. Das Bild, schwarz-weiß wie immer, zeigte ihm, ähnlich wie eine Röntgenaufnahme, den Treppenaufgang, die Tür zur Gästetoilette, die Tür zum Wohnzimmer, die offen zu stehen schien. Er korrigierte die Koordinaten durch eine kleine Bewegung mit dem Joystick. Das Bild auf dem Laptop wanderte auf die Küchentür zu, durchquerte sie und zeigte ihm nun den Herd.
    Leichte Bewegung mit dem Joystick.
    Der Küchenschrank, daneben das Fenster, die Tür, die zum Garten führt.
    Erneute Bewegung mit dem Joystick.
    Er sah den Küchentisch, zwei Gläser darauf.
    Na also.
    Er zog den Hebel nach oben.
    Das Bild, als würde es von einer Kamera erzeugt, hob sich und durchquerte die Decke. Er konnte die einzelnen Balken erkennen.
    Nun war er im Kinderzimmer.
    Es war leer.
    Wenigstens hat sie die Kinder aus dem Haus gebracht, dachte er.
    Leichter Druck an dem Hebel nach rechts.
    Das Schlafzimmer.
    Singer atmete einmal kräftig und korrigierte noch einmal das Bild.
    Das Bett.
    Er sah die beiden Körper.
    Sie bewegten sich.
    Sie warf den Kopf nach hinten.
    Die Unterleiber!
    Im gleichen Rhythmus.
    Die Bettdecke, die Wellen warf auf seinem Bildschirm.
    Singer stieß einen Zischlaut aus.
    Der Hass machte ihn fast blind.
    Er hackte auf die

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