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Brennende Kälte

Brennende Kälte

Titel: Brennende Kälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Auf der kleineren Landstraße waren sie die beiden einzigen Wagen. Singer würde bereits registriert haben, dass ein Wagen hinter ihm war.
    Dengler überlegte, ob er ihn überholen und mit der Smith & Wesson zum Aussteigen zwingen sollte. Er verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Er wusste nicht, welch eine Waffe Singer in diesem Auto zur Verfügung hatte. Er wusste nur, dass sie schrecklich war.
    Es ging nun steiler bergauf. Die Straße kletterte die Schwäbische Alb hinauf. Häuser waren verschwunden, die Straße wurde von Wiesen flankiert, dahinter wuchs dichter Wald. Plötzlich beschleunigte der Wagen vor ihm. Damit hatte Dengler gerechnet. Er unterdrückte den Impuls, ebenfalls Gas zu geben. Singer hatte schon einmal die Elektronik seines Autos zerstört. Dengler fuhr im gleichen Tempo weiter bergauf. Singer verschwand hinter einer Kurve. Nun beschleunigte Dengler kurz, bremste aber kurz vor der Kurve. Er war wieder an ihm dran. Sie fuhren durch dichten Wald. Singer fuhr immer noch schnell und vergrößerte zügig die Distanz. Er verschwand wieder hinter einer Kurve. Als Dengler aus dieser auftauchte, sah er Singer gerade in dienächste einbiegen. Als Dengler auch diese nahm, sah er den Sprinter nicht mehr. Nun gab er Gas. Aber Singer war weg. Er fuhr bis Grabenstetten und drehte dann um.
    Er fuhr durch den strömenden Regen zurück.
    Singer hatte ihn abgehängt.
    Er war irgendwo auf der Strecke verschwunden.
    Aber immerhin wusste er nun, wo er ihn suchen musste.

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    Siebter Bericht: Mit Absicht
    Kollateralschäden. Darüber kann ich nur lachen. Ich habe unzählige Treffer der amerikanischen Luftwaffe auf zivile Ziele gesehen: Schulen, normale Häuser, Krankenhäuser – auch das zerstörte Kabuler Krankenhaus, auf dessen Dach doch zwei riesige Rote Kreuze aufgemalt worden waren. So schlecht kann niemand zielen, dass er das unabsichtlich trifft.
    Ich habe bei den zivilen Treffern nach möglichen militärischen Zielen in der Nähe gesucht – es gab keine. Irgendwann dämmerte es mir: Wenn in einem Radius von 500 Metern kein militärisches Ziel zu finden ist, dann kann der Treffer kein Zufall sein. Wie ein böser Verdacht stieg es in mir auf, und heute weiß ich, dass meine furchtbare Schlussfolgerung stimmt: Es ist Absicht.
    Aber was ist mit der Genfer Konvention? Was ist mit dem Soldatengesetz? Gilt das alles für mich nicht mehr? Wir haben es doch gelernt. Artikel 54 des Zweiten Zusatzprotokolls zur Genfer Konvention verbietet es, »für die Zivilbevölkerung lebensnotwendige Objekte« anzugreifen. Wer dies absichtlich tut, ist – ein Kriegsverbrecher.
    Ich habe viele Kriegsverbrechen gesehen.
    Wir hatten einen Hauptmann bei uns, der sich mit militärischen Strategien beschäftigte. Clausewitz haben wir ihn genannt. Mit dem habe ich darüber gesprochen. Der zeigte mir ein Handbuch der amerikanischen Luftkriegsführung, geschrieben von einem General, von John A. Warden. Darin macht er aus den Angriffen auf die Zivilbevölkerung ein System. Clausewitz erklärte es mir: »Es geht nicht mehr darum, das feindliche Militär zu schlagen, wie in früheren Zeiten. Sondern die Bevölkerung des angegriffenen Landes zu zwingen, die eigene Position zu akzeptieren.« Die militärischenTruppen des Feindes zu vernichten sei dazu bestenfalls Mittel zum Zweck, im schlimmsten Fall reine Verschwendung. Und das Soldatengesetz, fragte ich ihn. Gilt das für uns hier nicht mehr? Und die Genfer Konventionen?
    Da sah mich der Hauptmann an. »Wir sind frei«, sagte er. »Endlich frei im Stahlgewitter.«

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    Alte Freunde
    Morgens um fünf klingelte es an der Tür. Einmal. Zweimal. Dann zweimal hintereinander.
    Dengler schreckte aus dem Schlaf. Er griff zur Seite, suchte Olga, aber ihm fiel ein, dass er nach Mitternacht heimgekommen war und sie nicht mehr hatte wecken wollen. Er lag allein in seinem eigenen Bett.
    Nun läutete es Sturm.
    Vielleicht Jakob, dachte er.
    Dengler ging schlaftrunken an die Tür und öffnete.
    Ein Schlag an die Brust traf ihn. Er taumelte zurück. Vier Männer stürmten in seine Wohnung.
    »Hausdurchsuchung. Gefahr in Verzug. Ziehen Sie sich etwas an!«, schrie ihn ein Mann an und hielt ihm einen Ausweis vor die Nase.
    Bundeskriminalamt.
    Dengler ging zurück ins Schlafzimmer und zog seinen alten blauen Bademantel über. Der erste Beamte, offenbar der Einsatzführer, war ihm gefolgt.
    Einer der anderen drei Polizisten erschien an der Tür, ging sofort auf Denglers Kleiderschrank zu und

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