Brennende Schuld
Möglichkeiten durchzugehen, wer denn an seiner statt zum Flughafen gefahren sein könnte, er sprach sogar Elena an. »Wissen Sie, Señora Navarro, ich werde Ihren polizeilichen Schutz so lange in Anspruch nehmen, bis wir die Frage geklärt haben, wer mir ein Schlafmittel in das Essen oder den Wein tat, in die Tiefgarage ging, meinen Mercedes bestieg und zum Flughafen fuhr. Wer kann das sein, der sogar meine Bodyguards so täuschte, dass sie glaubten, ich wäre es? Señora Navarro, glauben Sie mir, ich habe Angst!«
Costa hätte sich über dies Affentheater geärgert, aber wegen Santanders enger Zeitvorgabe kam ihm dieser lächerliche Einfall des Politikers, ihren polizeilichen Schutz so lange in Anspruch zu nehmen, bis die Frage geklärt wäre, wer ihm ein Schlafmittel in das Essen getan haben könnte, sogar gelegen. Jetzt konnte er ihn weiter in Haft behalten, während er die Nachforschungen gegen ihn vorantreiben würde. »Wenn jemand während der fraglichen Zeit im Haus war, muss er ja zuerst dort eingedrungen sein. Es müssen sich Spuren finden lassen. Wollen Sie uns begleiten, während wir Ihr Haus untersuchen?«
Prats ging gar nicht auf die Frage ein, sondern bat darum, dass ihm vom Flughafen etliche Zeitungen gebracht würden, er wollte hier in der »Schutzhaft« bleiben, wie er sich ausdrückte.
Costa ließ ihn abführen.
kapitel sechsunddreißig
Costa blickte erschöpft aus dem Fenster des Polizeipräsidiums. Kein Wind fing sich in den Fahnen der spanischen Republiken vor dem Gebäude. Ein blassblauer Dunst lag über der Insel. Der Tag hatte klar begonnen, aber dann hatte sich der Himmel immer mehr zugezogen.
Er überlegte, wie er Santander gegenüber das Ergebnis seiner Befragungen formulieren sollte. Eigentlich hatte er einen Kaffee trinken wollen, aber er brauchte jetzt eher ein Beruhigungsmittel als einen Wachmacher. Daher hatte er Elenas Angebot angenommen, eine Tasse von ihrem Tee zu trinken, den sie morgens immer mit ins Büro brachte. Sie kam mit der Thermosflasche herein, als er telefonierte.
Er berichtete Santander von seiner Unterhaltung mit Prats und bemühte sich, Prats’ Wunsch, weiterhin in Schutzhaft zu bleiben, möglichst plausibel zu machen.
»Sie wollen mir weismachen, dass Inselrat Prats lieber hier in der Ausnüchterungszelle sitzt als nach Hause zu fahren?«
»Sie können gerne Leutnant Navarro fragen, sie war dabei und steht neben mir.«
»Ja, geben Sie sie mir mal.«
Elena erklärte Santander die Situation, woraufhin er beschloss, selbst hinunter zu den Zellen zu gehen und sich bei Prats für die Missverständnisse und Unannehmlichkeiten zu entschuldigen. Costa höre dann noch von ihm.
Elena setzte sich lächelnd auf das Fensterbrett und stützte sich dabei mit ihrem rechten Fuß an der oberen Schreibtischkante ab.
Er begann, auf und ab zu gehen und seine Gedanken laut zu ordnen.
»Wie schätzt du Prats’ Sicherheitschef Christobal Silva ein?«
»Zuverlässig«, sagte Elena und zupfte an ihrem auberginefarbenen Rock. »Trinkst du deinen Tee gar nicht?«
Er trat an den Schreibtisch und nahm einen großen Schluck. Der Tee roch nach Kaktusfeige und hatte ein sehr leichtes Aroma. Er goss sich noch mal ein und schmeckte ihn auf der Zunge, bevor er schluckte.
»Wie findest du ihn?«
»Gegenüber bitterem schwarzen Kaffee wie ein Frühlingstag in einem japanischen Garten«, sagte er lächelnd. »Alles bewusst und fein.« Er war ihr dankbar, dass sie seiner Gereiztheit nicht nachgab. Wie mochte ein privates Zusammenleben mit ihr sein?
Er fragte sie, was sie von Prats’ haarsträubender Geschichte halte. Sie glaubte ihm kein Wort.
»Wenn du nicht in Keulemans’ Haus gewesen wärst, wäre allerdings niemand dahinter gekommen. Trotzdem – Prats ist Politiker. Er ist gewohnt, sich ein Türchen offen zu halten, die Situation zu seinen Gunsten zu drehen oder einfach wichtige Informationen zurückzuhalten. Teil seiner Strategie für Eventualfälle ist der große Unbekannte, der ihm aus irgendeinem Grund Schlaftabletten eintrichtert, sich dann als Prats verkleidet und – als Beweis – sich so benimmt, wie Prats es nie tun würde. Eine sehr gute Verteidigung könnte da was draus machen.«
Costa nickte nachdenklich. »Könnte Campaña sicher. Das ist seine Spezialität.«
»Der Surfer müsste jetzt in seinem Haus sein. Du wirst sehen, er wird alles auf den Kopf stellen und nicht einen einzigen Anhaltspunkt dafür finden, dass Mister Unbekannt am Sonntagabend in seiner
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