Brennende Schuld
er sich ärgerte.
Elena schaffte es, dass er gegen seinen Willen lachen musste. Sie gestikulierte jetzt wie Campaña: »Hör zu, Jaume, ich werde deinen Charakter preisen, das wird dem guten Costa nicht gefallen, und er wird mit der alten Kamelle Es Culleram kommen. Da kennt dich jeder mit schlechtem Charakter, weil du dir gleich die Witwe unter den Nagel gerissen hast, ohne das Trauerjahr abzuwarten, wovon ich dir damals abgeraten hätte.«
»Du machst das wirklich gut, das muss man dir lassen. Aber dennoch – selbst wenn sich die zwei Halunken die Sache so ausgedacht haben, werde ich mir die genauen Ereignisse von damals noch einmal von einem Augenzeugen berichten lassen.«
Sie schüttelte in gespieltem Entsetzen den Kopf: »Wie hält es Karin mit so einem Dickkopf aus?« Und dann mit Nachdruck: »Wir sollten sehen, was bei der Durchsuchung der Prats-Villa herausgekommen ist, und die Erfindung des großen Unbekannten widerlegen. Wir sollten uns nicht in der Vergangenheit verlieren, von der Campaña völlig zu Recht sagt, dass jede Handlung sowieso verjährt ist.« Als er nicht antwortete, nahm sie seine Hand und sprach ihn nachdrücklich an: »Hallo, Toni Costa«, als wolle sie ihn aufwecken.
Er winkte dem Kellner, um zu zahlen, und sagte, er werde jetzt nach San Vincente fahren, sie könne ja von unterwegs den Surfer anrufen, um zu hören, ob sie etwas gefunden hätten.
Auf dem Weg nach San Vincente erzählte er ihr all die Gerüchte, die es um das Unglück von Es Culleram gab.
»Und wer soll das jetzt aufklären, wenn sich die Wahrheit bis heute hinter all den Gerüchten versteckt hat?«, fragte sie.
Als er nicht antwortete, wählte sie zum hundertsten Mal die Nummer von Xico Palomo.
Während er den Wagen konzentriert und schnell durch die engen Serpentinen der Küstenstraße lenkte, beugte sie sich vor und deckte das freie Ohr mit der Hand ab. Costa kurbelte sein Fenster nach oben.
»Du bist sicher, dass es das von Cepero ist?«, fragte sie. Pause.
»Verstehe. Das hab ich mir gedacht. Nein, wir sind auf dem Weg nach San Vincente.« Sie kam Costas Frage zuvor: »Er hat das Mobiltelefon von Cepero gefunden. Es lag in der Garage in der Mülltonne. Ist schon unterwegs ins Labor.«
»Und eine Digitalkamera, mit der die Fotos aufgenommen worden sein könnten, die ich bei Herrera gefunden habe?«, fragte Costa.
»Fehlanzeige. Weder Kamera noch Computer.« Elena sprach wieder ins Telefon. »Prats hat uns ein Märchen von einem unbekannten Eindringling aufgetischt, der in der Brandnacht in seine Haut geschlüpft ist. Bitte daraufhin noch mal alles durchwühlen. Nicht zuzuordnende DNA, du weißt schon. Ja, ich weiß, stöhn mir nichts vor. Hasta pronto. «
Costa parkte den Pajero vor einer Bar.
Der alte Pep Forn, den Costa Onkel nannte, seit er das Wort aussprechen konnte, war kein wirklicher Verwandter, sondern ein enger Freund seines Großvaters. Pep Forn war immer schon alt gewesen, auch als Costa noch klein war. So alt wie das Meer, nach dem er roch und auf dem er lebte. Pep nahm ihn mit hinaus, und der kleine Junge war stolz, vom besten Fischer der ganzen Südostküste durch sein Morgen-darfst-du-mit-raus geadelt zu werden. Kein Boot zwischen Santa Eulalia und San Vincente hatte jemals den Hafen verlassen, wenn Pep Forn in seiner Stammkneipe Can Gat saß und Suissé trank, denn alle wussten dann, dass das Meer an solchen Tagen keinen Fisch hergeben würde. Wind, Salz und Sonne hatten ihre Geschichten in sein Gesicht geschrieben, und nun sah es aus wie ein Stück trockener Rinderbraten. Doch auch wenn er jetzt weit über siebzig war, hatte er seine Gewohnheiten nie geändert. Dazu gehörte auch, dass er sich erhob, um die Frau in Costas Begleitung zu umarmen und zu küssen, bevor er Costa begrüßte.
»Ich bin Elena«, sagte sie, als er sie nach den Küssen mit weit ausgestreckten Armen festhielt und freundlich betrachtete.
» Lot, com va tot? « , sagte er, was Elena nicht verstand.
»Das gilt mir«, erklärte Costa lachend, »und heißt: Junge, wie geht’s?«
Pep Forn machte eine einladende Bewegung. »Wir sind lange nicht mehr fischen gegangen. Aber ich verstehe dich. Du gehst lieber mit schönen Frauen aus.« Costa sah Elena an. Bevor er Pep sagte, was er trinken wolle, ließ er seinen Blick auf ihrem Gesicht ruhen. Hohe Wangenknochen, volle Lippen, grüne Augen. Eine Strähne ihres dunkelblonden Haares fiel ihr ins Gesicht. Als sie seinen Blick bemerkte, strich sie sie hinters Ohr.
Weitere Kostenlose Bücher